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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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und alle Kamine rauchten, indessen die Bewohner
sämmtlich hinter den hellen Fenstern zu erblicken
waren, wie sie eifrig um den Tisch herum saßen
und aßen, keine Seele sich aber auf der Straße
sehen ließ und ihn also auch Niemand bemerkte.
Dessen war er aber höchlich froh; denn er ent¬
deckte erst jetzt, daß er auf seinem leuchtenden
Pferde noch die alten abgeschabten und anbrüchi¬
gen Kleider anhatte. Er bestrebte sich desnahen
auch, ungesehen hinter das Haus des Oheims
zu gelangen; aber wie wunderte er sich, als die¬
ses über und über mit Epheu bewachsen und
außerdem noch ganz von den alten wuchtigen
Nußbäumen überhangen war, so daß kein Stein
und kein Ziegel zu sehen war und nur hie und
da ein Stückchen Fensterscheibe durch das dichte
Grün blinkte. Er sah wohl, daß sich Leute hin¬
ter denselben bewegten, aber er konnte Niemanden
erkennen. Der Garten war mit einer Wildniß
von wuchernden Feldblumen bedeckt, aus denen
die alten verwilderten Gartenstauden baumhoch
emporragten, und Schwärme wild gewordener
Bienen brausten auf dieser Blumenwildniß um¬

IV. 15

und alle Kamine rauchten, indeſſen die Bewohner
ſaͤmmtlich hinter den hellen Fenſtern zu erblicken
waren, wie ſie eifrig um den Tiſch herum ſaßen
und aßen, keine Seele ſich aber auf der Straße
ſehen ließ und ihn alſo auch Niemand bemerkte.
Deſſen war er aber hoͤchlich froh; denn er ent¬
deckte erſt jetzt, daß er auf ſeinem leuchtenden
Pferde noch die alten abgeſchabten und anbruͤchi¬
gen Kleider anhatte. Er beſtrebte ſich desnahen
auch, ungeſehen hinter das Haus des Oheims
zu gelangen; aber wie wunderte er ſich, als die¬
ſes uͤber und uͤber mit Epheu bewachſen und
außerdem noch ganz von den alten wuchtigen
Nußbaͤumen uͤberhangen war, ſo daß kein Stein
und kein Ziegel zu ſehen war und nur hie und
da ein Stuͤckchen Fenſterſcheibe durch das dichte
Gruͤn blinkte. Er ſah wohl, daß ſich Leute hin¬
ter denſelben bewegten, aber er konnte Niemanden
erkennen. Der Garten war mit einer Wildniß
von wuchernden Feldblumen bedeckt, aus denen
die alten verwilderten Gartenſtauden baumhoch
emporragten, und Schwaͤrme wild gewordener
Bienen brauſten auf dieſer Blumenwildniß um¬

IV. 15
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[225/0235] und alle Kamine rauchten, indeſſen die Bewohner ſaͤmmtlich hinter den hellen Fenſtern zu erblicken waren, wie ſie eifrig um den Tiſch herum ſaßen und aßen, keine Seele ſich aber auf der Straße ſehen ließ und ihn alſo auch Niemand bemerkte. Deſſen war er aber hoͤchlich froh; denn er ent¬ deckte erſt jetzt, daß er auf ſeinem leuchtenden Pferde noch die alten abgeſchabten und anbruͤchi¬ gen Kleider anhatte. Er beſtrebte ſich desnahen auch, ungeſehen hinter das Haus des Oheims zu gelangen; aber wie wunderte er ſich, als die¬ ſes uͤber und uͤber mit Epheu bewachſen und außerdem noch ganz von den alten wuchtigen Nußbaͤumen uͤberhangen war, ſo daß kein Stein und kein Ziegel zu ſehen war und nur hie und da ein Stuͤckchen Fenſterſcheibe durch das dichte Gruͤn blinkte. Er ſah wohl, daß ſich Leute hin¬ ter denſelben bewegten, aber er konnte Niemanden erkennen. Der Garten war mit einer Wildniß von wuchernden Feldblumen bedeckt, aus denen die alten verwilderten Gartenſtauden baumhoch emporragten, und Schwaͤrme wild gewordener Bienen brauſten auf dieſer Blumenwildniß um¬ IV. 15

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/235>, abgerufen am 24.11.2024.