daß Du in dieser Stadt sitzest und solchen Unsinn beiträgst zum Unsinn!" Und als ob alle Leute ihm ansehen könnten, daß Er die unzähligen Stängelchen und Stangen bemalt, während in der That kein Sterblicher eine Ahnung hatte au¬ ßer dem Alten, eilte Heinrich voll Scham und Zerknirschtheit wieder aus der Stadt an den abendlichen Fluß hinaus und in die schönen Ge¬ hölze, die sich längs desselben hinzogen. Er ging auf denselben Wegen, auf welchen er einst in Floribus als hoffnungsreicher Kunstjünger gefah¬ ren und gegangen in jener grünen Narrentracht, und mit Ferdinand Lys gestritten hatte. Die po¬ litischen Bedenken wegen seiner Steckenarbeit tra¬ ten jetzt zwar zurück, aber nur um noch tieferen Platz zu machen. "Das war nun," sagte er sich, "so ein Stück Schulzeit in der Schule dieses Alten! aber nun ist es nachgerade mehr als ge¬ nug!" Der rauschende Fluß, die rauschenden Bäume, die balsamische Luft der hereinbrechenden Nacht, die er alle so lange nicht genossen, schie¬ nen ihn aufzurufen zur Treue gegen sich selbst und zum Widerstand gegen jedes unnatürliche
daß Du in dieſer Stadt ſitzeſt und ſolchen Unſinn beitraͤgſt zum Unſinn!« Und als ob alle Leute ihm anſehen koͤnnten, daß Er die unzaͤhligen Staͤngelchen und Stangen bemalt, waͤhrend in der That kein Sterblicher eine Ahnung hatte au¬ ßer dem Alten, eilte Heinrich voll Scham und Zerknirſchtheit wieder aus der Stadt an den abendlichen Fluß hinaus und in die ſchoͤnen Ge¬ hoͤlze, die ſich laͤngs deſſelben hinzogen. Er ging auf denſelben Wegen, auf welchen er einſt in Floribus als hoffnungsreicher Kunſtjuͤnger gefah¬ ren und gegangen in jener gruͤnen Narrentracht, und mit Ferdinand Lys geſtritten hatte. Die po¬ litiſchen Bedenken wegen ſeiner Steckenarbeit tra¬ ten jetzt zwar zuruͤck, aber nur um noch tieferen Platz zu machen. »Das war nun,« ſagte er ſich, »ſo ein Stuͤck Schulzeit in der Schule dieſes Alten! aber nun iſt es nachgerade mehr als ge¬ nug!« Der rauſchende Fluß, die rauſchenden Baͤume, die balſamiſche Luft der hereinbrechenden Nacht, die er alle ſo lange nicht genoſſen, ſchie¬ nen ihn aufzurufen zur Treue gegen ſich ſelbſt und zum Widerſtand gegen jedes unnatuͤrliche
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daß Du in dieſer Stadt ſitzeſt und ſolchen Unſinn
beitraͤgſt zum Unſinn!« Und als ob alle Leute
ihm anſehen koͤnnten, daß Er die unzaͤhligen
Staͤngelchen und Stangen bemalt, waͤhrend in
der That kein Sterblicher eine Ahnung hatte au¬
ßer dem Alten, eilte Heinrich voll Scham und
Zerknirſchtheit wieder aus der Stadt an den
abendlichen Fluß hinaus und in die ſchoͤnen Ge¬
hoͤlze, die ſich laͤngs deſſelben hinzogen. Er ging
auf denſelben Wegen, auf welchen er einſt in
Floribus als hoffnungsreicher Kunſtjuͤnger gefah¬
ren und gegangen in jener gruͤnen Narrentracht,
und mit Ferdinand Lys geſtritten hatte. Die po¬
litiſchen Bedenken wegen ſeiner Steckenarbeit tra¬
ten jetzt zwar zuruͤck, aber nur um noch tieferen
Platz zu machen. »Das war nun,« ſagte er ſich,
»ſo ein Stuͤck Schulzeit in der Schule dieſes
Alten! aber nun iſt es nachgerade mehr als ge¬
nug!« Der rauſchende Fluß, die rauſchenden
Baͤume, die balſamiſche Luft der hereinbrechenden
Nacht, die er alle ſo lange nicht genoſſen, ſchie¬
nen ihn aufzurufen zur Treue gegen ſich ſelbſt
und zum Widerſtand gegen jedes unnatuͤrliche
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/207>, abgerufen am 25.11.2024.
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