die andere Farbe mit einer Spirallinie umwun¬ den. Der Alte legte eine grundirte Stange am einen Ende in die Schießscharte, hielt sie mit der linken Hand wagerecht, und indem er, den Pin¬ sel eintauchend, Heinrich aufmerksam machte, wie dieser nicht zu voll, noch zu leer sein dürfe, da¬ mit eine sichere und saubere Linie in Einem Zuge entstände, begann er, die Stange langsam dre¬ hend, von oben an die himmelblaue Spirale zu ziehen, wo möglichst ohne zu zittern oder eine Stelle nachholen zu müssen. Er zitterte aber doch, auch gerieth ihm der weiße Zwischenraum nicht gleichmäßig, so daß er das mißlungene Werk wegwarf und rief: "Item! auf diese Weise mein' ich's! Eure Sache ist es nun, das Zeug besser zu machen, denn wofür seid Ihr jung?"
Heinrich legte nun auch eine Stange in die Schießscharte und versuchte sich in dieser seltsamen Arbeit, und bald ging es ganz ordentlich von Statten, während der Alte vorn im Laden haus'te und zwei oder drei Nähtermädchen, die sich ein¬ gefunden hatten, rüstig Zeug zuschnitt, damit sie es in zwei Farben zusammennäheten.
die andere Farbe mit einer Spirallinie umwun¬ den. Der Alte legte eine grundirte Stange am einen Ende in die Schießſcharte, hielt ſie mit der linken Hand wagerecht, und indem er, den Pin¬ ſel eintauchend, Heinrich aufmerkſam machte, wie dieſer nicht zu voll, noch zu leer ſein duͤrfe, da¬ mit eine ſichere und ſaubere Linie in Einem Zuge entſtaͤnde, begann er, die Stange langſam dre¬ hend, von oben an die himmelblaue Spirale zu ziehen, wo moͤglichſt ohne zu zittern oder eine Stelle nachholen zu muͤſſen. Er zitterte aber doch, auch gerieth ihm der weiße Zwiſchenraum nicht gleichmaͤßig, ſo daß er das mißlungene Werk wegwarf und rief: »Item! auf dieſe Weiſe mein' ich's! Eure Sache iſt es nun, das Zeug beſſer zu machen, denn wofuͤr ſeid Ihr jung?«
Heinrich legte nun auch eine Stange in die Schießſcharte und verſuchte ſich in dieſer ſeltſamen Arbeit, und bald ging es ganz ordentlich von Statten, waͤhrend der Alte vorn im Laden hauſ'te und zwei oder drei Naͤhtermaͤdchen, die ſich ein¬ gefunden hatten, ruͤſtig Zeug zuſchnitt, damit ſie es in zwei Farben zuſammennaͤheten.
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die andere Farbe mit einer Spirallinie umwun¬
den. Der Alte legte eine grundirte Stange am
einen Ende in die Schießſcharte, hielt ſie mit der
linken Hand wagerecht, und indem er, den Pin¬
ſel eintauchend, Heinrich aufmerkſam machte, wie
dieſer nicht zu voll, noch zu leer ſein duͤrfe, da¬
mit eine ſichere und ſaubere Linie in Einem Zuge
entſtaͤnde, begann er, die Stange langſam dre¬
hend, von oben an die himmelblaue Spirale zu
ziehen, wo moͤglichſt ohne zu zittern oder eine
Stelle nachholen zu muͤſſen. Er zitterte aber
doch, auch gerieth ihm der weiße Zwiſchenraum
nicht gleichmaͤßig, ſo daß er das mißlungene
Werk wegwarf und rief: »Item! auf dieſe Weiſe
mein' ich's! Eure Sache iſt es nun, das Zeug
beſſer zu machen, denn wofuͤr ſeid Ihr jung?«
Heinrich legte nun auch eine Stange in die
Schießſcharte und verſuchte ſich in dieſer ſeltſamen
Arbeit, und bald ging es ganz ordentlich von
Statten, waͤhrend der Alte vorn im Laden hauſ'te
und zwei oder drei Naͤhtermaͤdchen, die ſich ein¬
gefunden hatten, ruͤſtig Zeug zuſchnitt, damit ſie
es in zwei Farben zuſammennaͤheten.
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/199>, abgerufen am 25.11.2024.
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