seinen Kopf, um ihn dort in die andere Hand und in eine bequemere Lage zu bringen; als das unselige Werk aber in der Luft schwebte, fand er nicht mehr Raum, es wieder herunter zu nehmen, und hielt es so über den wogenden Köpfen der Menschenmenge. Erst jetzt gab es einen rechten Auflauf auf dem Markte, denn das Luftphänomen zog alle Leute herbei, die Fenster in den umlie¬ genden Häusern thaten sich auf, Alles lachte, schimpfte und rief: Wer wird denn mit solchem Ofenschirm über den Markt gehen um diese Zeit? Da drängte sich Heinrich's Gönnermännchen aus dem Dickicht, im grauen Schlafrock und seine weiße Zipfelkappe auf dem Kopfe, über die Schul¬ ter ein Netz mit Gemüse und Fleisch geworfen und Heinrich's übelzugerichteten Hut in der Hand. Freundlich winkte die lächerliche Gestalt ihm zu und Heinrich streckte sehnlich die Hand nach sei¬ nem Hute. Aber der Alte rief mit wahrer Dä¬ monenfreude: "Nicht doch! mit nichten, Freund¬ chen! Ihr kommt so viel besser fort! will Euch den Hut schon tragen und den Weg bahnen!" und der Aermste, er mochte flehen wie er wollte,
ſeinen Kopf, um ihn dort in die andere Hand und in eine bequemere Lage zu bringen; als das unſelige Werk aber in der Luft ſchwebte, fand er nicht mehr Raum, es wieder herunter zu nehmen, und hielt es ſo uͤber den wogenden Koͤpfen der Menſchenmenge. Erſt jetzt gab es einen rechten Auflauf auf dem Markte, denn das Luftphaͤnomen zog alle Leute herbei, die Fenſter in den umlie¬ genden Haͤuſern thaten ſich auf, Alles lachte, ſchimpfte und rief: Wer wird denn mit ſolchem Ofenſchirm uͤber den Markt gehen um dieſe Zeit? Da draͤngte ſich Heinrich's Goͤnnermaͤnnchen aus dem Dickicht, im grauen Schlafrock und ſeine weiße Zipfelkappe auf dem Kopfe, uͤber die Schul¬ ter ein Netz mit Gemuͤſe und Fleiſch geworfen und Heinrich's uͤbelzugerichteten Hut in der Hand. Freundlich winkte die laͤcherliche Geſtalt ihm zu und Heinrich ſtreckte ſehnlich die Hand nach ſei¬ nem Hute. Aber der Alte rief mit wahrer Daͤ¬ monenfreude: »Nicht doch! mit nichten, Freund¬ chen! Ihr kommt ſo viel beſſer fort! will Euch den Hut ſchon tragen und den Weg bahnen!« und der Aermſte, er mochte flehen wie er wollte,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0190"n="180"/>ſeinen Kopf, um ihn dort in die andere Hand<lb/>
und in eine bequemere Lage zu bringen; als das<lb/>
unſelige Werk aber in der Luft ſchwebte, fand er<lb/>
nicht mehr Raum, es wieder herunter zu nehmen,<lb/>
und hielt es ſo uͤber den wogenden Koͤpfen der<lb/>
Menſchenmenge. Erſt jetzt gab es einen rechten<lb/>
Auflauf auf dem Markte, denn das Luftphaͤnomen<lb/>
zog alle Leute herbei, die Fenſter in den umlie¬<lb/>
genden Haͤuſern thaten ſich auf, Alles lachte,<lb/>ſchimpfte und rief: Wer wird denn mit ſolchem<lb/>
Ofenſchirm uͤber den Markt gehen um dieſe Zeit?<lb/>
Da draͤngte ſich Heinrich's Goͤnnermaͤnnchen aus<lb/>
dem Dickicht, im grauen Schlafrock und ſeine<lb/>
weiße Zipfelkappe auf dem Kopfe, uͤber die Schul¬<lb/>
ter ein Netz mit Gemuͤſe und Fleiſch geworfen und<lb/>
Heinrich's uͤbelzugerichteten Hut in der Hand.<lb/>
Freundlich winkte die laͤcherliche Geſtalt ihm zu<lb/>
und Heinrich ſtreckte ſehnlich die Hand nach ſei¬<lb/>
nem Hute. Aber der Alte rief mit wahrer Daͤ¬<lb/>
monenfreude: »Nicht doch! mit nichten, Freund¬<lb/>
chen! Ihr kommt ſo viel beſſer fort! will Euch<lb/>
den Hut ſchon tragen und den Weg bahnen!«<lb/>
und der Aermſte, er mochte flehen wie er wollte,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[180/0190]
ſeinen Kopf, um ihn dort in die andere Hand
und in eine bequemere Lage zu bringen; als das
unſelige Werk aber in der Luft ſchwebte, fand er
nicht mehr Raum, es wieder herunter zu nehmen,
und hielt es ſo uͤber den wogenden Koͤpfen der
Menſchenmenge. Erſt jetzt gab es einen rechten
Auflauf auf dem Markte, denn das Luftphaͤnomen
zog alle Leute herbei, die Fenſter in den umlie¬
genden Haͤuſern thaten ſich auf, Alles lachte,
ſchimpfte und rief: Wer wird denn mit ſolchem
Ofenſchirm uͤber den Markt gehen um dieſe Zeit?
Da draͤngte ſich Heinrich's Goͤnnermaͤnnchen aus
dem Dickicht, im grauen Schlafrock und ſeine
weiße Zipfelkappe auf dem Kopfe, uͤber die Schul¬
ter ein Netz mit Gemuͤſe und Fleiſch geworfen und
Heinrich's uͤbelzugerichteten Hut in der Hand.
Freundlich winkte die laͤcherliche Geſtalt ihm zu
und Heinrich ſtreckte ſehnlich die Hand nach ſei¬
nem Hute. Aber der Alte rief mit wahrer Daͤ¬
monenfreude: »Nicht doch! mit nichten, Freund¬
chen! Ihr kommt ſo viel beſſer fort! will Euch
den Hut ſchon tragen und den Weg bahnen!«
und der Aermſte, er mochte flehen wie er wollte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/190>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.