Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

falls ein Dutzend Schritte daneben hin und stol¬
perte, während er die offenbaren und preisgege¬
benen Erfindungen Heinrich's zu enträthseln suchte,
über die Steine. Zwei wohlhabende und ange¬
sehene Künstler gingen vorüber und betrachteten
vornehm und verwundert den beschämten Träger,
der ihnen bekannt vorkam; er fuhr mit seiner
spanischen Wand gegen einen Wagen, den er
nicht sehen konnte, so daß die Pferde scheu wur¬
den, der Fuhrmann fluchte, und zugleich brachten
starke Windstöße das ganze Wesen in's Schwan¬
ken und dieses stieß Heinrich's Hut herunter, so
daß er nun nicht wußte, sollte er den im Kothe
dahin rollenden oder sein behextes Werk fahren
lassen. Diese Flucht seines Hutes war einer
jener kleinen lächerlichen Unfälle, welche einen
tiefen Verdruß oder grämliches Leiden auf den
Gipfel bringen, und so stand Heinrich ganz elend
und rathlos da und unterdrückte einen bitterlichen
Zorn im Herzen. Er war in der Verwirrung
mitten auf den Gemüsemarkt gerathen und konnte
sich vollends nicht mehr rühren. Fluchend that
er einen Ruck und schwang seinen Carton über

12 *

falls ein Dutzend Schritte daneben hin und ſtol¬
perte, waͤhrend er die offenbaren und preisgege¬
benen Erfindungen Heinrich's zu entraͤthſeln ſuchte,
uͤber die Steine. Zwei wohlhabende und ange¬
ſehene Kuͤnſtler gingen voruͤber und betrachteten
vornehm und verwundert den beſchaͤmten Traͤger,
der ihnen bekannt vorkam; er fuhr mit ſeiner
ſpaniſchen Wand gegen einen Wagen, den er
nicht ſehen konnte, ſo daß die Pferde ſcheu wur¬
den, der Fuhrmann fluchte, und zugleich brachten
ſtarke Windſtoͤße das ganze Weſen in's Schwan¬
ken und dieſes ſtieß Heinrich's Hut herunter, ſo
daß er nun nicht wußte, ſollte er den im Kothe
dahin rollenden oder ſein behextes Werk fahren
laſſen. Dieſe Flucht ſeines Hutes war einer
jener kleinen laͤcherlichen Unfaͤlle, welche einen
tiefen Verdruß oder graͤmliches Leiden auf den
Gipfel bringen, und ſo ſtand Heinrich ganz elend
und rathlos da und unterdruͤckte einen bitterlichen
Zorn im Herzen. Er war in der Verwirrung
mitten auf den Gemuͤſemarkt gerathen und konnte
ſich vollends nicht mehr ruͤhren. Fluchend that
er einen Ruck und ſchwang ſeinen Carton uͤber

12 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0189" n="179"/>
falls ein Dutzend Schritte daneben hin und &#x017F;tol¬<lb/>
perte, wa&#x0364;hrend er die offenbaren und preisgege¬<lb/>
benen Erfindungen Heinrich's zu entra&#x0364;th&#x017F;eln &#x017F;uchte,<lb/>
u&#x0364;ber die Steine. Zwei wohlhabende und ange¬<lb/>
&#x017F;ehene Ku&#x0364;n&#x017F;tler gingen voru&#x0364;ber und betrachteten<lb/>
vornehm und verwundert den be&#x017F;cha&#x0364;mten Tra&#x0364;ger,<lb/>
der ihnen bekannt vorkam; er fuhr mit &#x017F;einer<lb/>
&#x017F;pani&#x017F;chen Wand gegen einen Wagen, den er<lb/>
nicht &#x017F;ehen konnte, &#x017F;o daß die Pferde &#x017F;cheu wur¬<lb/>
den, der Fuhrmann fluchte, und zugleich brachten<lb/>
&#x017F;tarke Wind&#x017F;to&#x0364;ße das ganze We&#x017F;en in's Schwan¬<lb/>
ken und die&#x017F;es &#x017F;tieß Heinrich's Hut herunter, &#x017F;o<lb/>
daß er nun nicht wußte, &#x017F;ollte er den im Kothe<lb/>
dahin rollenden oder &#x017F;ein behextes Werk fahren<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Die&#x017F;e Flucht &#x017F;eines Hutes war einer<lb/>
jener kleinen la&#x0364;cherlichen Unfa&#x0364;lle, welche einen<lb/>
tiefen Verdruß oder gra&#x0364;mliches Leiden auf den<lb/>
Gipfel bringen, und &#x017F;o &#x017F;tand Heinrich ganz elend<lb/>
und rathlos da und unterdru&#x0364;ckte einen bitterlichen<lb/>
Zorn im Herzen. Er war in der Verwirrung<lb/>
mitten auf den Gemu&#x0364;&#x017F;emarkt gerathen und konnte<lb/>
&#x017F;ich vollends nicht mehr ru&#x0364;hren. Fluchend that<lb/>
er einen Ruck und &#x017F;chwang &#x017F;einen Carton u&#x0364;ber<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">12 *<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0189] falls ein Dutzend Schritte daneben hin und ſtol¬ perte, waͤhrend er die offenbaren und preisgege¬ benen Erfindungen Heinrich's zu entraͤthſeln ſuchte, uͤber die Steine. Zwei wohlhabende und ange¬ ſehene Kuͤnſtler gingen voruͤber und betrachteten vornehm und verwundert den beſchaͤmten Traͤger, der ihnen bekannt vorkam; er fuhr mit ſeiner ſpaniſchen Wand gegen einen Wagen, den er nicht ſehen konnte, ſo daß die Pferde ſcheu wur¬ den, der Fuhrmann fluchte, und zugleich brachten ſtarke Windſtoͤße das ganze Weſen in's Schwan¬ ken und dieſes ſtieß Heinrich's Hut herunter, ſo daß er nun nicht wußte, ſollte er den im Kothe dahin rollenden oder ſein behextes Werk fahren laſſen. Dieſe Flucht ſeines Hutes war einer jener kleinen laͤcherlichen Unfaͤlle, welche einen tiefen Verdruß oder graͤmliches Leiden auf den Gipfel bringen, und ſo ſtand Heinrich ganz elend und rathlos da und unterdruͤckte einen bitterlichen Zorn im Herzen. Er war in der Verwirrung mitten auf den Gemuͤſemarkt gerathen und konnte ſich vollends nicht mehr ruͤhren. Fluchend that er einen Ruck und ſchwang ſeinen Carton uͤber 12 *

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/189
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/189>, abgerufen am 24.11.2024.