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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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sagen hochtragend oder hochstelzig), habe in mei¬
nem Leben nichts so im Laden gehabt! Wissen
Sie was, Freundchen, jetzt holen Sie hübsch noch
die anderen Sachen, damit wir Alles beisammen
haben. Nachher wollen wir schauen, ob sich ein
Handel machen läßt. Gehen Sie, gehen Sie,
Bewegung ist immer gesund!"

Heinrich ging abermals nach seiner Wohnung
und ergriff den größten Carton, einen mit Papier
bespannten Blendrahmen von acht Fuß Breite
und entsprechender Höhe. Dies Ungethüm war
leicht von Gewicht, aber ungefüg zu tragen wegen
seiner Größe, und als der unmuthige Träger da¬
mit auf die Straße gelangte, blies sofort ein
lustiger Ostwind darein, daß es Heinrich kaum
zu halten vermochte. Ueberdies mußte er, da die
große Fahne nur auf der Rückseite an der Kreuz¬
leiste zu halten war, die bemalte Seite nach außen
kehren, und so begann er, sich dahinter bestmög¬
lich verbergend, mit seiner Oriflamme durch die
belebten Straßen zu ziehen. Alsobald zog eine
Schaar Knaben und Mädchen vor der wandelnden
Landschaft her, und jeder Erwachsene ging eben¬

ſagen hochtragend oder hochſtelzig), habe in mei¬
nem Leben nichts ſo im Laden gehabt! Wiſſen
Sie was, Freundchen, jetzt holen Sie huͤbſch noch
die anderen Sachen, damit wir Alles beiſammen
haben. Nachher wollen wir ſchauen, ob ſich ein
Handel machen laͤßt. Gehen Sie, gehen Sie,
Bewegung iſt immer geſund!«

Heinrich ging abermals nach ſeiner Wohnung
und ergriff den groͤßten Carton, einen mit Papier
beſpannten Blendrahmen von acht Fuß Breite
und entſprechender Hoͤhe. Dies Ungethuͤm war
leicht von Gewicht, aber ungefuͤg zu tragen wegen
ſeiner Groͤße, und als der unmuthige Traͤger da¬
mit auf die Straße gelangte, blies ſofort ein
luſtiger Oſtwind darein, daß es Heinrich kaum
zu halten vermochte. Ueberdies mußte er, da die
große Fahne nur auf der Ruͤckſeite an der Kreuz¬
leiſte zu halten war, die bemalte Seite nach außen
kehren, und ſo begann er, ſich dahinter beſtmoͤg¬
lich verbergend, mit ſeiner Oriflamme durch die
belebten Straßen zu ziehen. Alſobald zog eine
Schaar Knaben und Maͤdchen vor der wandelnden
Landſchaft her, und jeder Erwachſene ging eben¬

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[178/0188] ſagen hochtragend oder hochſtelzig), habe in mei¬ nem Leben nichts ſo im Laden gehabt! Wiſſen Sie was, Freundchen, jetzt holen Sie huͤbſch noch die anderen Sachen, damit wir Alles beiſammen haben. Nachher wollen wir ſchauen, ob ſich ein Handel machen laͤßt. Gehen Sie, gehen Sie, Bewegung iſt immer geſund!« Heinrich ging abermals nach ſeiner Wohnung und ergriff den groͤßten Carton, einen mit Papier beſpannten Blendrahmen von acht Fuß Breite und entſprechender Hoͤhe. Dies Ungethuͤm war leicht von Gewicht, aber ungefuͤg zu tragen wegen ſeiner Groͤße, und als der unmuthige Traͤger da¬ mit auf die Straße gelangte, blies ſofort ein luſtiger Oſtwind darein, daß es Heinrich kaum zu halten vermochte. Ueberdies mußte er, da die große Fahne nur auf der Ruͤckſeite an der Kreuz¬ leiſte zu halten war, die bemalte Seite nach außen kehren, und ſo begann er, ſich dahinter beſtmoͤg¬ lich verbergend, mit ſeiner Oriflamme durch die belebten Straßen zu ziehen. Alſobald zog eine Schaar Knaben und Maͤdchen vor der wandelnden Landſchaft her, und jeder Erwachſene ging eben¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/188>, abgerufen am 24.11.2024.