gehen, sondern seinen wunderlichen Zustand noch recht erbaulich auszugenießen. Er begab sich also wieder in den Schatten eines lieblichen Wäldchens, setzte sich auf eine Bank und zog un¬ verweilt die schönen Gulden hervor, sie nunmehr in aller Behaglichkeit betrachtend. Es war ihm, als ob er niemals Geld besessen hätte, als ob es eine Ewigkeit her wäre, seit er in der Gesellschaft von Menschen gewesen und sich gleich ihnen ge¬ nährt, und so ein hinfälliges Ding ist der Mensch, daß Heinrich eine kindliche Freude über den Besitz dieser par elenden Münzen empfand und sie mit gierigen Blicken verschlang. Es schien ihm das reinste und höchste Glück zu sein, was er da in der Hand hielt; denn es war die unzweifelhaf¬ teste Lebensfristung, Rettung und Erquickung, und darüber hinaus dachte der Frohe gar nicht. Er dankte dem lieben Gott sehr zufrieden für die Erhörung seines Gebetes, wie in den Tagen sei¬ ner Kindheit; sonst dachte er nicht viel, denn die Gedanken waren allbereits sehr kurz und dünn gesäet; er genoß nur mit stillem Wohl¬ gefühl den durch das Grün flimmernden Son¬
IV. 11
gehen, ſondern ſeinen wunderlichen Zuſtand noch recht erbaulich auszugenießen. Er begab ſich alſo wieder in den Schatten eines lieblichen Waͤldchens, ſetzte ſich auf eine Bank und zog un¬ verweilt die ſchoͤnen Gulden hervor, ſie nunmehr in aller Behaglichkeit betrachtend. Es war ihm, als ob er niemals Geld beſeſſen haͤtte, als ob es eine Ewigkeit her waͤre, ſeit er in der Geſellſchaft von Menſchen geweſen und ſich gleich ihnen ge¬ naͤhrt, und ſo ein hinfaͤlliges Ding iſt der Menſch, daß Heinrich eine kindliche Freude uͤber den Beſitz dieſer par elenden Muͤnzen empfand und ſie mit gierigen Blicken verſchlang. Es ſchien ihm das reinſte und hoͤchſte Gluͤck zu ſein, was er da in der Hand hielt; denn es war die unzweifelhaf¬ teſte Lebensfriſtung, Rettung und Erquickung, und daruͤber hinaus dachte der Frohe gar nicht. Er dankte dem lieben Gott ſehr zufrieden fuͤr die Erhoͤrung ſeines Gebetes, wie in den Tagen ſei¬ ner Kindheit; ſonſt dachte er nicht viel, denn die Gedanken waren allbereits ſehr kurz und duͤnn geſaͤet; er genoß nur mit ſtillem Wohl¬ gefuͤhl den durch das Gruͤn flimmernden Son¬
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gehen, ſondern ſeinen wunderlichen Zuſtand noch
recht erbaulich auszugenießen. Er begab ſich
alſo wieder in den Schatten eines lieblichen
Waͤldchens, ſetzte ſich auf eine Bank und zog un¬
verweilt die ſchoͤnen Gulden hervor, ſie nunmehr
in aller Behaglichkeit betrachtend. Es war ihm,
als ob er niemals Geld beſeſſen haͤtte, als ob es
eine Ewigkeit her waͤre, ſeit er in der Geſellſchaft
von Menſchen geweſen und ſich gleich ihnen ge¬
naͤhrt, und ſo ein hinfaͤlliges Ding iſt der Menſch,
daß Heinrich eine kindliche Freude uͤber den Beſitz
dieſer par elenden Muͤnzen empfand und ſie mit
gierigen Blicken verſchlang. Es ſchien ihm das
reinſte und hoͤchſte Gluͤck zu ſein, was er da in
der Hand hielt; denn es war die unzweifelhaf¬
teſte Lebensfriſtung, Rettung und Erquickung,
und daruͤber hinaus dachte der Frohe gar nicht.
Er dankte dem lieben Gott ſehr zufrieden fuͤr die
Erhoͤrung ſeines Gebetes, wie in den Tagen ſei¬
ner Kindheit; ſonſt dachte er nicht viel, denn
die Gedanken waren allbereits ſehr kurz und
duͤnn geſaͤet; er genoß nur mit ſtillem Wohl¬
gefuͤhl den durch das Gruͤn flimmernden Son¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/171>, abgerufen am 29.11.2024.
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