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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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reit ist, es zu haschen. Als aber die Gläubiger,
die diesmal sich nicht aufsuchen ließen, erschienen
und sich freuten, sich auch hier nicht getäuscht zu
haben in der Ehrlichkeit der Jugend, da brachte
es Heinrich nicht über sich, auch nur bei einem
Einzigen mit seinem Vorschlag herauszurücken;
er befriedigte vielmehr einen Jeden bei Heller
und Pfennig, ohne zu zögern und zu seufzen, und
dem Letzten, welcher weniger eilig war und sich
nicht sehen ließ, brachte er sein Guthaben ängst¬
lich ins Haus beim ärgsten Regenwetter. Jetzt
hatte er noch einige Thaler in der Hand, welche
er, ohne einen Groschen weniger auszugeben,
aufbrauchte und zu Ende gehen sah. Dies ge¬
schah auch in kurzer Zeit, und eines Morgens,
als er aufstand, erinnerte er sich, daß er nicht
einen Pfennig mehr im Vermögen hatte. Ob¬
gleich er dies vorausgewußt, so war er doch
ganz verblüfft darüber und noch mehr, als er nun
klar fühlte, daß er unmöglich jetzt von Neuem
borgen könne; denn theils wußte er nun bestimmt,
daß er neue Schulden nicht mehr bezahlen könne,
theils widerstrebte es ihm, nach Verlauf einiger

reit iſt, es zu haſchen. Als aber die Glaͤubiger,
die diesmal ſich nicht aufſuchen ließen, erſchienen
und ſich freuten, ſich auch hier nicht getaͤuſcht zu
haben in der Ehrlichkeit der Jugend, da brachte
es Heinrich nicht uͤber ſich, auch nur bei einem
Einzigen mit ſeinem Vorſchlag herauszuruͤcken;
er befriedigte vielmehr einen Jeden bei Heller
und Pfennig, ohne zu zoͤgern und zu ſeufzen, und
dem Letzten, welcher weniger eilig war und ſich
nicht ſehen ließ, brachte er ſein Guthaben aͤngſt¬
lich ins Haus beim aͤrgſten Regenwetter. Jetzt
hatte er noch einige Thaler in der Hand, welche
er, ohne einen Groſchen weniger auszugeben,
aufbrauchte und zu Ende gehen ſah. Dies ge¬
ſchah auch in kurzer Zeit, und eines Morgens,
als er aufſtand, erinnerte er ſich, daß er nicht
einen Pfennig mehr im Vermoͤgen hatte. Ob¬
gleich er dies vorausgewußt, ſo war er doch
ganz verbluͤfft daruͤber und noch mehr, als er nun
klar fuͤhlte, daß er unmoͤglich jetzt von Neuem
borgen koͤnne; denn theils wußte er nun beſtimmt,
daß er neue Schulden nicht mehr bezahlen koͤnne,
theils widerſtrebte es ihm, nach Verlauf einiger

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[155/0165] reit iſt, es zu haſchen. Als aber die Glaͤubiger, die diesmal ſich nicht aufſuchen ließen, erſchienen und ſich freuten, ſich auch hier nicht getaͤuſcht zu haben in der Ehrlichkeit der Jugend, da brachte es Heinrich nicht uͤber ſich, auch nur bei einem Einzigen mit ſeinem Vorſchlag herauszuruͤcken; er befriedigte vielmehr einen Jeden bei Heller und Pfennig, ohne zu zoͤgern und zu ſeufzen, und dem Letzten, welcher weniger eilig war und ſich nicht ſehen ließ, brachte er ſein Guthaben aͤngſt¬ lich ins Haus beim aͤrgſten Regenwetter. Jetzt hatte er noch einige Thaler in der Hand, welche er, ohne einen Groſchen weniger auszugeben, aufbrauchte und zu Ende gehen ſah. Dies ge¬ ſchah auch in kurzer Zeit, und eines Morgens, als er aufſtand, erinnerte er ſich, daß er nicht einen Pfennig mehr im Vermoͤgen hatte. Ob¬ gleich er dies vorausgewußt, ſo war er doch ganz verbluͤfft daruͤber und noch mehr, als er nun klar fuͤhlte, daß er unmoͤglich jetzt von Neuem borgen koͤnne; denn theils wußte er nun beſtimmt, daß er neue Schulden nicht mehr bezahlen koͤnne, theils widerſtrebte es ihm, nach Verlauf einiger

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/165>, abgerufen am 30.11.2024.