gleich einer Uhr, aus welcher man die Hemmung genommen hat; denn jenes Liedchen hat eigentlich einen einfachen und eintönigen Inhalt, Indessen ist der Dilettantismus trotz seiner umfangreichen Macht ein unerfreuliches Dasein; im Grunde sind trotz aller äußeren Schicksale nur die Meister glücklich, d. h. die das Geschäft verstehen, was sie betreiben, und wohl Jedem, der zur rechten Zeit in sich zu gehen weiß. Er wird, einen Stiefel zurechthämmernd, ein souveräner König sein neben dem hypochondrischen Ritter vom Di¬ lettantismus, der im durchlöcherten Ordensmantel melancholisch einherstolzirt.
Heinrich's Werklein, als es fertig war, sah nun höchst seltsam aus. Er hatte sich die voll¬ saftige Frische des Vortrages, auf welche die von dem Meister gerathene Anordnung durchaus be¬ rechnet war, doch nicht geben können und war unwillkürlich wieder in seine blasse traumhafte Malerei verfallen, während die vielen naiven und liebenswürdigen Züge eines erfindungslustigen Gemüthes, welche auch ein solches mangelhaftes Werk gewissermaßen ansprechend und unterhaltend
gleich einer Uhr, aus welcher man die Hemmung genommen hat; denn jenes Liedchen hat eigentlich einen einfachen und eintoͤnigen Inhalt, Indeſſen iſt der Dilettantismus trotz ſeiner umfangreichen Macht ein unerfreuliches Daſein; im Grunde ſind trotz aller aͤußeren Schickſale nur die Meiſter gluͤcklich, d. h. die das Geſchaͤft verſtehen, was ſie betreiben, und wohl Jedem, der zur rechten Zeit in ſich zu gehen weiß. Er wird, einen Stiefel zurechthaͤmmernd, ein ſouveraͤner Koͤnig ſein neben dem hypochondriſchen Ritter vom Di¬ lettantismus, der im durchloͤcherten Ordensmantel melancholiſch einherſtolzirt.
Heinrich's Werklein, als es fertig war, ſah nun hoͤchſt ſeltſam aus. Er hatte ſich die voll¬ ſaftige Friſche des Vortrages, auf welche die von dem Meiſter gerathene Anordnung durchaus be¬ rechnet war, doch nicht geben koͤnnen und war unwillkuͤrlich wieder in ſeine blaſſe traumhafte Malerei verfallen, waͤhrend die vielen naiven und liebenswuͤrdigen Zuͤge eines erfindungsluſtigen Gemuͤthes, welche auch ein ſolches mangelhaftes Werk gewiſſermaßen anſprechend und unterhaltend
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gleich einer Uhr, aus welcher man die Hemmung
genommen hat; denn jenes Liedchen hat eigentlich
einen einfachen und eintoͤnigen Inhalt, Indeſſen
iſt der Dilettantismus trotz ſeiner umfangreichen
Macht ein unerfreuliches Daſein; im Grunde ſind
trotz aller aͤußeren Schickſale nur die Meiſter
gluͤcklich, d. h. die das Geſchaͤft verſtehen, was
ſie betreiben, und wohl Jedem, der zur rechten
Zeit in ſich zu gehen weiß. Er wird, einen
Stiefel zurechthaͤmmernd, ein ſouveraͤner Koͤnig
ſein neben dem hypochondriſchen Ritter vom Di¬
lettantismus, der im durchloͤcherten Ordensmantel
melancholiſch einherſtolzirt.
Heinrich's Werklein, als es fertig war, ſah
nun hoͤchſt ſeltſam aus. Er hatte ſich die voll¬
ſaftige Friſche des Vortrages, auf welche die von
dem Meiſter gerathene Anordnung durchaus be¬
rechnet war, doch nicht geben koͤnnen und war
unwillkuͤrlich wieder in ſeine blaſſe traumhafte
Malerei verfallen, waͤhrend die vielen naiven und
liebenswuͤrdigen Zuͤge eines erfindungsluſtigen
Gemuͤthes, welche auch ein ſolches mangelhaftes
Werk gewiſſermaßen anſprechend und unterhaltend
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/140>, abgerufen am 04.12.2024.
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