lichkeit, noch durch düsteres Unbehagen, weder im Scherz noch im Ernst ließ sie sich verleiten und überrumpeln, auch die kleinste ungewohnte Aus¬ gabe zu machen. Sie legte Groschen zu Groschen, und wo diese einmal lagen, waren sie so sicher aufgehoben, wie im Kasten des eingefleischten Geizes. Mit der Ausdauer und Consequenz des Geizes sammelte sie Geld, aber nicht zu ihrer Freude und zur Lust ihrer Augen, denn das Ge¬ sammelte beschaute sie niemals und überzählte es nie, und hierdurch unterschied sich ihr Thun und Lassen von demjenigen der Geizigen.
Allein diese ihre Art, indem sie zurückhaltend, ängstlich und geizig erschien und zugleich dienst¬ fertig, still, hülfereich und liebenswürdig war, verlieh ihr einen eigenthümlichen und einsamen Charakter, so daß die Leute ihre freundliche und nützliche Seite annahmen und über ihr stilles, strenges Sorgen, Hoffen und Fürchten sie nicht befragten.
Zudem würden sie dasselbe weder begriffen, noch gebilligt haben; denn alle verlangten von ihren eigenen Söhnen, wenn sie nicht Gelehrte
lichkeit, noch durch duͤſteres Unbehagen, weder im Scherz noch im Ernſt ließ ſie ſich verleiten und uͤberrumpeln, auch die kleinſte ungewohnte Aus¬ gabe zu machen. Sie legte Groſchen zu Groſchen, und wo dieſe einmal lagen, waren ſie ſo ſicher aufgehoben, wie im Kaſten des eingefleiſchten Geizes. Mit der Ausdauer und Conſequenz des Geizes ſammelte ſie Geld, aber nicht zu ihrer Freude und zur Luſt ihrer Augen, denn das Ge¬ ſammelte beſchaute ſie niemals und uͤberzaͤhlte es nie, und hierdurch unterſchied ſich ihr Thun und Laſſen von demjenigen der Geizigen.
Allein dieſe ihre Art, indem ſie zuruͤckhaltend, aͤngſtlich und geizig erſchien und zugleich dienſt¬ fertig, ſtill, huͤlfereich und liebenswuͤrdig war, verlieh ihr einen eigenthuͤmlichen und einſamen Charakter, ſo daß die Leute ihre freundliche und nuͤtzliche Seite annahmen und uͤber ihr ſtilles, ſtrenges Sorgen, Hoffen und Fuͤrchten ſie nicht befragten.
Zudem wuͤrden ſie daſſelbe weder begriffen, noch gebilligt haben; denn alle verlangten von ihren eigenen Soͤhnen, wenn ſie nicht Gelehrte
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0120"n="110"/>
lichkeit, noch durch duͤſteres Unbehagen, weder im<lb/>
Scherz noch im Ernſt ließ ſie ſich verleiten und<lb/>
uͤberrumpeln, auch die kleinſte ungewohnte Aus¬<lb/>
gabe zu machen. Sie legte Groſchen zu Groſchen,<lb/>
und wo dieſe einmal lagen, waren ſie ſo ſicher<lb/>
aufgehoben, wie im Kaſten des eingefleiſchten<lb/>
Geizes. Mit der Ausdauer und Conſequenz des<lb/>
Geizes ſammelte ſie Geld, aber nicht zu ihrer<lb/>
Freude und zur Luſt ihrer Augen, denn das Ge¬<lb/>ſammelte beſchaute ſie niemals und uͤberzaͤhlte es<lb/>
nie, und hierdurch unterſchied ſich ihr Thun und<lb/>
Laſſen von demjenigen der Geizigen.</p><lb/><p>Allein dieſe ihre Art, indem ſie zuruͤckhaltend,<lb/>
aͤngſtlich und geizig erſchien und zugleich dienſt¬<lb/>
fertig, ſtill, huͤlfereich und liebenswuͤrdig war,<lb/>
verlieh ihr einen eigenthuͤmlichen und einſamen<lb/>
Charakter, ſo daß die Leute ihre freundliche und<lb/>
nuͤtzliche Seite annahmen und uͤber ihr ſtilles,<lb/>ſtrenges Sorgen, Hoffen und Fuͤrchten ſie nicht<lb/>
befragten.</p><lb/><p>Zudem wuͤrden ſie daſſelbe weder begriffen,<lb/>
noch gebilligt haben; denn alle verlangten von<lb/>
ihren eigenen Soͤhnen, wenn ſie nicht Gelehrte<lb/></p></div></body></text></TEI>
[110/0120]
lichkeit, noch durch duͤſteres Unbehagen, weder im
Scherz noch im Ernſt ließ ſie ſich verleiten und
uͤberrumpeln, auch die kleinſte ungewohnte Aus¬
gabe zu machen. Sie legte Groſchen zu Groſchen,
und wo dieſe einmal lagen, waren ſie ſo ſicher
aufgehoben, wie im Kaſten des eingefleiſchten
Geizes. Mit der Ausdauer und Conſequenz des
Geizes ſammelte ſie Geld, aber nicht zu ihrer
Freude und zur Luſt ihrer Augen, denn das Ge¬
ſammelte beſchaute ſie niemals und uͤberzaͤhlte es
nie, und hierdurch unterſchied ſich ihr Thun und
Laſſen von demjenigen der Geizigen.
Allein dieſe ihre Art, indem ſie zuruͤckhaltend,
aͤngſtlich und geizig erſchien und zugleich dienſt¬
fertig, ſtill, huͤlfereich und liebenswuͤrdig war,
verlieh ihr einen eigenthuͤmlichen und einſamen
Charakter, ſo daß die Leute ihre freundliche und
nuͤtzliche Seite annahmen und uͤber ihr ſtilles,
ſtrenges Sorgen, Hoffen und Fuͤrchten ſie nicht
befragten.
Zudem wuͤrden ſie daſſelbe weder begriffen,
noch gebilligt haben; denn alle verlangten von
ihren eigenen Soͤhnen, wenn ſie nicht Gelehrte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/120>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.