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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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ten und Mittelbaren hin, dem Unächten und dem
Erlogenen, und von diesem Gebiete aus, wo es
ihnen nicht mehr möglich ist, recht zu thun, wer¬
den sie die geschworenen Feinde des Allgemeinen,
das schlecht und recht vorwärts geht. Dies Un¬
wesen in allen Graden, auf jedem Boden und in
jeder Umgebung zu bekämpfen und zu ersticken
und jedes kranke Glied abzuschneiden, ist der beste
Kampf auch gegen den Jesuitismus.

So kam Heinrich zu der Ueberzeugung, daß
das historische und politische Bewußtsein weniger
in der Ausbildung eines specifischen Hasses gegen
die Hemmung, als in der Reinigung und Befe¬
stigung seiner selbst bestehen und hierdurch wesent¬
lich die Aufmerksamkeit, Thätigkeit und Hoffnung
gelenkt werden solle. Schon weil alles das, was
sich reactionär nennt, jederzeit haßerfüllt, straf-
und rachsüchtig ist, so kann es der Fortschritt
unmöglich sein, oder er ist keiner. Die Reaction
liebt z. B. das Blut, folglich darf es der Fort¬
schritt nicht lieben, wenn er ihr wahrhaft überle¬
gen sein will. Auch die gerechteste Rache führt
den eigenen schließlichen Untergang mit sich, und

IV. 7

ten und Mittelbaren hin, dem Unaͤchten und dem
Erlogenen, und von dieſem Gebiete aus, wo es
ihnen nicht mehr moͤglich iſt, recht zu thun, wer¬
den ſie die geſchworenen Feinde des Allgemeinen,
das ſchlecht und recht vorwaͤrts geht. Dies Un¬
weſen in allen Graden, auf jedem Boden und in
jeder Umgebung zu bekaͤmpfen und zu erſticken
und jedes kranke Glied abzuſchneiden, iſt der beſte
Kampf auch gegen den Jeſuitismus.

So kam Heinrich zu der Ueberzeugung, daß
das hiſtoriſche und politiſche Bewußtſein weniger
in der Ausbildung eines ſpecifiſchen Haſſes gegen
die Hemmung, als in der Reinigung und Befe¬
ſtigung ſeiner ſelbſt beſtehen und hierdurch weſent¬
lich die Aufmerkſamkeit, Thaͤtigkeit und Hoffnung
gelenkt werden ſolle. Schon weil alles das, was
ſich reactionaͤr nennt, jederzeit haßerfuͤllt, ſtraf-
und rachſuͤchtig iſt, ſo kann es der Fortſchritt
unmoͤglich ſein, oder er iſt keiner. Die Reaction
liebt z. B. das Blut, folglich darf es der Fort¬
ſchritt nicht lieben, wenn er ihr wahrhaft uͤberle¬
gen ſein will. Auch die gerechteſte Rache fuͤhrt
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[97/0107] ten und Mittelbaren hin, dem Unaͤchten und dem Erlogenen, und von dieſem Gebiete aus, wo es ihnen nicht mehr moͤglich iſt, recht zu thun, wer¬ den ſie die geſchworenen Feinde des Allgemeinen, das ſchlecht und recht vorwaͤrts geht. Dies Un¬ weſen in allen Graden, auf jedem Boden und in jeder Umgebung zu bekaͤmpfen und zu erſticken und jedes kranke Glied abzuſchneiden, iſt der beſte Kampf auch gegen den Jeſuitismus. So kam Heinrich zu der Ueberzeugung, daß das hiſtoriſche und politiſche Bewußtſein weniger in der Ausbildung eines ſpecifiſchen Haſſes gegen die Hemmung, als in der Reinigung und Befe¬ ſtigung ſeiner ſelbſt beſtehen und hierdurch weſent¬ lich die Aufmerkſamkeit, Thaͤtigkeit und Hoffnung gelenkt werden ſolle. Schon weil alles das, was ſich reactionaͤr nennt, jederzeit haßerfuͤllt, ſtraf- und rachſuͤchtig iſt, ſo kann es der Fortſchritt unmoͤglich ſein, oder er iſt keiner. Die Reaction liebt z. B. das Blut, folglich darf es der Fort¬ ſchritt nicht lieben, wenn er ihr wahrhaft uͤberle¬ gen ſein will. Auch die gerechteſte Rache fuͤhrt den eigenen ſchließlichen Untergang mit ſich, und IV. 7

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/107>, abgerufen am 28.11.2024.