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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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toll erschien, und weil es mir widerstrebte, den
schlimmen Gerüchten, die über ihn im Umlauf
waren, entgegen zu kommen. Es war mir auch
aufgefallen, daß Römer ganz vereinsamt lebte
und trotzdem, daß er mehrere Herren aus ange¬
sehenen Häusern kannte, die sich zu gleicher Zeit
mit ihm in jenen großen Städten aufgehalten,
doch von denselben gemieden wurde. Daher wollte
ich seine Lage nicht noch verschlimmern. Doch
verlockte mich einst ein unwilliges republikanisches
Gefühl zum Plaudern. Nachdem er nämlich
öfter bedeutungsvoll bald von den Bourbonen,
bald von den Napoleoniden, bald von den Habs¬
burgern gesprochen, ereignete es sich einst, daß
die Königin-Mutter aus Neapel, eine alte Frau
mit vielen Dienern und Schachteln, einige Tage
sich in unserer Stadt aufhielt. Sogleich gerieth
Römer in eine große Aufregung, lenkte auf
Spaziergängen unsern Weg an dem Gasthofe
vorbei, wo sie logirte, ging in das Haus, als
ob er mit der Dame, die er als sehr intrigant
beschäftigt und seinetwegen hergekommen schilderte,
wichtige Unterredungen hätte, und ließ mich lange

toll erſchien, und weil es mir widerſtrebte, den
ſchlimmen Geruͤchten, die uͤber ihn im Umlauf
waren, entgegen zu kommen. Es war mir auch
aufgefallen, daß Roͤmer ganz vereinſamt lebte
und trotzdem, daß er mehrere Herren aus ange¬
ſehenen Haͤuſern kannte, die ſich zu gleicher Zeit
mit ihm in jenen großen Staͤdten aufgehalten,
doch von denſelben gemieden wurde. Daher wollte
ich ſeine Lage nicht noch verſchlimmern. Doch
verlockte mich einſt ein unwilliges republikaniſches
Gefuͤhl zum Plaudern. Nachdem er naͤmlich
oͤfter bedeutungsvoll bald von den Bourbonen,
bald von den Napoleoniden, bald von den Habs¬
burgern geſprochen, ereignete es ſich einſt, daß
die Koͤnigin-Mutter aus Neapel, eine alte Frau
mit vielen Dienern und Schachteln, einige Tage
ſich in unſerer Stadt aufhielt. Sogleich gerieth
Roͤmer in eine große Aufregung, lenkte auf
Spaziergaͤngen unſern Weg an dem Gaſthofe
vorbei, wo ſie logirte, ging in das Haus, als
ob er mit der Dame, die er als ſehr intrigant
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[87/0097] toll erſchien, und weil es mir widerſtrebte, den ſchlimmen Geruͤchten, die uͤber ihn im Umlauf waren, entgegen zu kommen. Es war mir auch aufgefallen, daß Roͤmer ganz vereinſamt lebte und trotzdem, daß er mehrere Herren aus ange¬ ſehenen Haͤuſern kannte, die ſich zu gleicher Zeit mit ihm in jenen großen Staͤdten aufgehalten, doch von denſelben gemieden wurde. Daher wollte ich ſeine Lage nicht noch verſchlimmern. Doch verlockte mich einſt ein unwilliges republikaniſches Gefuͤhl zum Plaudern. Nachdem er naͤmlich oͤfter bedeutungsvoll bald von den Bourbonen, bald von den Napoleoniden, bald von den Habs¬ burgern geſprochen, ereignete es ſich einſt, daß die Koͤnigin-Mutter aus Neapel, eine alte Frau mit vielen Dienern und Schachteln, einige Tage ſich in unſerer Stadt aufhielt. Sogleich gerieth Roͤmer in eine große Aufregung, lenkte auf Spaziergaͤngen unſern Weg an dem Gaſthofe vorbei, wo ſie logirte, ging in das Haus, als ob er mit der Dame, die er als ſehr intrigant beſchaͤftigt und ſeinetwegen hergekommen ſchilderte, wichtige Unterredungen haͤtte, und ließ mich lange

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/97>, abgerufen am 22.11.2024.