fragte ich und Römer erwiederte, indem er sich bedeutungsvoll die Hände rieb: "Das eben nicht! lassen wir das!"
Doch bald darauf deutete er mir an, daß alle Fäden der europäischen Politik in seiner Hand zusammenliefen und daß ein Tag, eine Stunde des Nachlasses in seiner angestrengten Geistesar¬ beit, die seinen Körper aufzureiben drohe, sich alsobald durch eine allgemeine Verwirrung der öffentlichen Angelegenheiten bemerklich mache, daß eine confuse und ängstliche Nummer des Journal des Debats jedesmal bedeute, daß Er unpäßlich oder abgespannt und sein Rath ausgeblieben sei. Ich sah meinen Lehrer ernsthaft an, er machte ein unbefangenes und ernsthaftes Gesicht, die gebo¬ gene Nase stand wie immer mitten darin, darun¬ ter der wohlgepflegte Schnurbart und über die Augen flog auch nicht das leiseste ungewisse Zu¬ cken.
Mein Erstaunen gewann nicht Zeit, sich auf¬ zuhellen, indem ich ferner erfuhr, daß Römer, während er der verborgene Mittelpunkt aller Weltregierung, zugleich das Opfer unerhörter
fragte ich und Roͤmer erwiederte, indem er ſich bedeutungsvoll die Haͤnde rieb: »Das eben nicht! laſſen wir das!«
Doch bald darauf deutete er mir an, daß alle Faͤden der europaͤiſchen Politik in ſeiner Hand zuſammenliefen und daß ein Tag, eine Stunde des Nachlaſſes in ſeiner angeſtrengten Geiſtesar¬ beit, die ſeinen Koͤrper aufzureiben drohe, ſich alſobald durch eine allgemeine Verwirrung der oͤffentlichen Angelegenheiten bemerklich mache, daß eine confuſe und aͤngſtliche Nummer des Journal des Débats jedesmal bedeute, daß Er unpaͤßlich oder abgeſpannt und ſein Rath ausgeblieben ſei. Ich ſah meinen Lehrer ernſthaft an, er machte ein unbefangenes und ernſthaftes Geſicht, die gebo¬ gene Naſe ſtand wie immer mitten darin, darun¬ ter der wohlgepflegte Schnurbart und uͤber die Augen flog auch nicht das leiſeſte ungewiſſe Zu¬ cken.
Mein Erſtaunen gewann nicht Zeit, ſich auf¬ zuhellen, indem ich ferner erfuhr, daß Roͤmer, waͤhrend er der verborgene Mittelpunkt aller Weltregierung, zugleich das Opfer unerhoͤrter
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0090"n="80"/>
fragte ich und Roͤmer erwiederte, indem er ſich<lb/>
bedeutungsvoll die Haͤnde rieb: »Das eben nicht!<lb/>
laſſen wir das!«</p><lb/><p>Doch bald darauf deutete er mir an, daß alle<lb/>
Faͤden der europaͤiſchen Politik in ſeiner Hand<lb/>
zuſammenliefen und daß ein Tag, eine Stunde<lb/>
des Nachlaſſes in ſeiner angeſtrengten Geiſtesar¬<lb/>
beit, die ſeinen Koͤrper aufzureiben drohe, ſich<lb/>
alſobald durch eine allgemeine Verwirrung der<lb/>
oͤffentlichen Angelegenheiten bemerklich mache, daß<lb/>
eine confuſe und aͤngſtliche Nummer des Journal<lb/>
des D<hirendition="#aq">é</hi>bats jedesmal bedeute, daß Er unpaͤßlich<lb/>
oder abgeſpannt und ſein Rath ausgeblieben ſei.<lb/>
Ich ſah meinen Lehrer ernſthaft an, er machte ein<lb/>
unbefangenes und ernſthaftes Geſicht, die gebo¬<lb/>
gene Naſe ſtand wie immer mitten darin, darun¬<lb/>
ter der wohlgepflegte Schnurbart und uͤber die<lb/>
Augen flog auch nicht das leiſeſte ungewiſſe Zu¬<lb/>
cken.</p><lb/><p>Mein Erſtaunen gewann nicht Zeit, ſich auf¬<lb/>
zuhellen, indem ich ferner erfuhr, daß Roͤmer,<lb/>
waͤhrend er der verborgene Mittelpunkt aller<lb/>
Weltregierung, zugleich das Opfer unerhoͤrter<lb/></p></div></body></text></TEI>
[80/0090]
fragte ich und Roͤmer erwiederte, indem er ſich
bedeutungsvoll die Haͤnde rieb: »Das eben nicht!
laſſen wir das!«
Doch bald darauf deutete er mir an, daß alle
Faͤden der europaͤiſchen Politik in ſeiner Hand
zuſammenliefen und daß ein Tag, eine Stunde
des Nachlaſſes in ſeiner angeſtrengten Geiſtesar¬
beit, die ſeinen Koͤrper aufzureiben drohe, ſich
alſobald durch eine allgemeine Verwirrung der
oͤffentlichen Angelegenheiten bemerklich mache, daß
eine confuſe und aͤngſtliche Nummer des Journal
des Débats jedesmal bedeute, daß Er unpaͤßlich
oder abgeſpannt und ſein Rath ausgeblieben ſei.
Ich ſah meinen Lehrer ernſthaft an, er machte ein
unbefangenes und ernſthaftes Geſicht, die gebo¬
gene Naſe ſtand wie immer mitten darin, darun¬
ter der wohlgepflegte Schnurbart und uͤber die
Augen flog auch nicht das leiſeſte ungewiſſe Zu¬
cken.
Mein Erſtaunen gewann nicht Zeit, ſich auf¬
zuhellen, indem ich ferner erfuhr, daß Roͤmer,
waͤhrend er der verborgene Mittelpunkt aller
Weltregierung, zugleich das Opfer unerhoͤrter
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/90>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.