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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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Schreiben betreffen ließ. Vorzüglich machte er
sich oft mit dem Journal des Debats zu schaffen.
Unsere Regierung nannte er einen Trupp unge¬
schickter Krähwinkler, den großen Rath aber ein
verächtliches Gesindel und unsere heimischen Zu¬
stände im Ganzen dummes Zeug. Darüber ward
ich stutzig und hielt mit meinen Zustimmungen
zurück oder vertheidigte unsere Verhältnisse und
hielt ihn für einen malcontanten Menschen, wel¬
chen der lange Aufenthalt in fremden großen
Städten mit Verachtung der engen Heimath ge¬
füllt habe. Er sprach oft von Louis Philipp
und tadelte dessen Maßregeln und Schritte, wie
Einer, der eine geheime Vorschrift nicht pünktlich
befolgt sieht. Einst kam er ganz unwirsch nach
Hause und beklagte sich über eine Rede, welche
der Minister Thiers gehalten. "Mit diesem ver¬
tracten kleinen Burschen ist Nichts anzufangen!"
rief er, indem er ein Zeitungsexcerpt zerknitterte,
"ich hätte ihm diese eigenmächtige Naseweisheit
gar nicht angesehen! Ich glaubte in ihm den
gelehrigsten meiner Schüler zu haben." -- "Zeich¬
net denn der Herr Thiers auch Landschaften?"

Schreiben betreffen ließ. Vorzuͤglich machte er
ſich oft mit dem Journal des Débats zu ſchaffen.
Unſere Regierung nannte er einen Trupp unge¬
ſchickter Kraͤhwinkler, den großen Rath aber ein
veraͤchtliches Geſindel und unſere heimiſchen Zu¬
ſtaͤnde im Ganzen dummes Zeug. Daruͤber ward
ich ſtutzig und hielt mit meinen Zuſtimmungen
zuruͤck oder vertheidigte unſere Verhaͤltniſſe und
hielt ihn fuͤr einen malcontanten Menſchen, wel¬
chen der lange Aufenthalt in fremden großen
Staͤdten mit Verachtung der engen Heimath ge¬
fuͤllt habe. Er ſprach oft von Louis Philipp
und tadelte deſſen Maßregeln und Schritte, wie
Einer, der eine geheime Vorſchrift nicht puͤnktlich
befolgt ſieht. Einſt kam er ganz unwirſch nach
Hauſe und beklagte ſich uͤber eine Rede, welche
der Miniſter Thiers gehalten. »Mit dieſem ver¬
tracten kleinen Burſchen iſt Nichts anzufangen!«
rief er, indem er ein Zeitungsexcerpt zerknitterte,
»ich haͤtte ihm dieſe eigenmaͤchtige Naſeweisheit
gar nicht angeſehen! Ich glaubte in ihm den
gelehrigſten meiner Schuͤler zu haben.« — »Zeich¬
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[79/0089] Schreiben betreffen ließ. Vorzuͤglich machte er ſich oft mit dem Journal des Débats zu ſchaffen. Unſere Regierung nannte er einen Trupp unge¬ ſchickter Kraͤhwinkler, den großen Rath aber ein veraͤchtliches Geſindel und unſere heimiſchen Zu¬ ſtaͤnde im Ganzen dummes Zeug. Daruͤber ward ich ſtutzig und hielt mit meinen Zuſtimmungen zuruͤck oder vertheidigte unſere Verhaͤltniſſe und hielt ihn fuͤr einen malcontanten Menſchen, wel¬ chen der lange Aufenthalt in fremden großen Staͤdten mit Verachtung der engen Heimath ge¬ fuͤllt habe. Er ſprach oft von Louis Philipp und tadelte deſſen Maßregeln und Schritte, wie Einer, der eine geheime Vorſchrift nicht puͤnktlich befolgt ſieht. Einſt kam er ganz unwirſch nach Hauſe und beklagte ſich uͤber eine Rede, welche der Miniſter Thiers gehalten. »Mit dieſem ver¬ tracten kleinen Burſchen iſt Nichts anzufangen!« rief er, indem er ein Zeitungsexcerpt zerknitterte, »ich haͤtte ihm dieſe eigenmaͤchtige Naſeweisheit gar nicht angeſehen! Ich glaubte in ihm den gelehrigſten meiner Schuͤler zu haben.« — »Zeich¬ net denn der Herr Thiers auch Landſchaften?«

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/89>, abgerufen am 23.11.2024.