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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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nungen nicht abließ und seine Aussprüche, wenn
sie in's Allgemeine gingen, nicht mehr unbedingt
annahm, vielmehr ungescheut bestritt. Hieran
war hauptsächlich der Umstand schuld, daß seine
sonstigen Gespräche und Mittheilungen einerseits
immer deutlicher, andererseits aber immer sonder¬
barer und auffallender geworden und meine Ach¬
tung vor seiner Urtheilskraft geschwächt hatten.
Manches fiel zusammen mit den dunklen Gerüch¬
ten, die über ihn ergingen, so daß ich eine Zeit¬
lang in der peinlichsten Spannung mich befand,
aus einem geehrten und zuverlässigen Lehrer die
seltsamste und räthselhafteste Gestalt sich heraus¬
schälen zu sehen.

Schon seit einiger Zeit wurden seine Aeuße¬
rungen über Menschen und Verhältnisse immer
härter und zugleich bestimmter, indem sie sich aus¬
schließlicher auf politische Dinge bezogen. Er
ging alle Abende in den Lesezirkel unserer Stadt,
las dort die französischen und englischen Blätter
und pflegte sich Vieles zu notiren, sowie er auch
in seiner Wohnung allerlei geheimnißvolle Papier¬
schnitzel handhabte und sich oft über wichtigem

nungen nicht abließ und ſeine Ausſpruͤche, wenn
ſie in's Allgemeine gingen, nicht mehr unbedingt
annahm, vielmehr ungeſcheut beſtritt. Hieran
war hauptſaͤchlich der Umſtand ſchuld, daß ſeine
ſonſtigen Geſpraͤche und Mittheilungen einerſeits
immer deutlicher, andererſeits aber immer ſonder¬
barer und auffallender geworden und meine Ach¬
tung vor ſeiner Urtheilskraft geſchwaͤcht hatten.
Manches fiel zuſammen mit den dunklen Geruͤch¬
ten, die uͤber ihn ergingen, ſo daß ich eine Zeit¬
lang in der peinlichſten Spannung mich befand,
aus einem geehrten und zuverlaͤſſigen Lehrer die
ſeltſamſte und raͤthſelhafteſte Geſtalt ſich heraus¬
ſchaͤlen zu ſehen.

Schon ſeit einiger Zeit wurden ſeine Aeuße¬
rungen uͤber Menſchen und Verhaͤltniſſe immer
haͤrter und zugleich beſtimmter, indem ſie ſich aus¬
ſchließlicher auf politiſche Dinge bezogen. Er
ging alle Abende in den Leſezirkel unſerer Stadt,
las dort die franzoͤſiſchen und engliſchen Blaͤtter
und pflegte ſich Vieles zu notiren, ſowie er auch
in ſeiner Wohnung allerlei geheimnißvolle Papier¬
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[78/0088] nungen nicht abließ und ſeine Ausſpruͤche, wenn ſie in's Allgemeine gingen, nicht mehr unbedingt annahm, vielmehr ungeſcheut beſtritt. Hieran war hauptſaͤchlich der Umſtand ſchuld, daß ſeine ſonſtigen Geſpraͤche und Mittheilungen einerſeits immer deutlicher, andererſeits aber immer ſonder¬ barer und auffallender geworden und meine Ach¬ tung vor ſeiner Urtheilskraft geſchwaͤcht hatten. Manches fiel zuſammen mit den dunklen Geruͤch¬ ten, die uͤber ihn ergingen, ſo daß ich eine Zeit¬ lang in der peinlichſten Spannung mich befand, aus einem geehrten und zuverlaͤſſigen Lehrer die ſeltſamſte und raͤthſelhafteſte Geſtalt ſich heraus¬ ſchaͤlen zu ſehen. Schon ſeit einiger Zeit wurden ſeine Aeuße¬ rungen uͤber Menſchen und Verhaͤltniſſe immer haͤrter und zugleich beſtimmter, indem ſie ſich aus¬ ſchließlicher auf politiſche Dinge bezogen. Er ging alle Abende in den Leſezirkel unſerer Stadt, las dort die franzoͤſiſchen und engliſchen Blaͤtter und pflegte ſich Vieles zu notiren, ſowie er auch in ſeiner Wohnung allerlei geheimnißvolle Papier¬ ſchnitzel handhabte und ſich oft uͤber wichtigem

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/88>, abgerufen am 23.11.2024.