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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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schadenfroh: "Ja, mein Lieber, das geht nicht
so rasch! Ich habe es wohl gedacht, daß es so
kommen würde; nun heißt es auf eigenen Füßen
stehen, oder vielmehr mit eigenen Augen sehen!
Eine gute Studie leidlich copiren, will nicht so
viel heißen! Glauben Sie denn, man läßt sich
ohne Weiteres für Andere die Sonne auf den
Buckel zünden?" u. s. f. Nun begann der ganze
Krieg des Tadels gegen das Bemühen, demselben
zuvorzukommen und ihm boshafte Streiche zu
spielen, von Neuem; Römer ging mit hinaus
und malte selbst, so daß er mich immer unter
seinen Augen hatte. Es war hier nicht gerathen,
die Thorheiten und Flausen zu wiederholen, die
ich unter Herrn Habersaat gespielt hatte, da
Römer durch Steine und Bäume zu sehen schien
und jedem Striche anmerkte, ob derselbe gewissen¬
haft sei oder nicht. Er sah es jedem Aste an,
ob derselbe zu dick oder zu dünn sei und wenn
ich meinte, derselbe könnte ja am Ende so ge¬
wachsen sein, so sagte er: "Lassen Sie das gut
sein! Die Natur ist vernünftig und zuverlässig;
übrigens kennen wir solche Finessen wohl! Sie

ſchadenfroh: »Ja, mein Lieber, das geht nicht
ſo raſch! Ich habe es wohl gedacht, daß es ſo
kommen wuͤrde; nun heißt es auf eigenen Fuͤßen
ſtehen, oder vielmehr mit eigenen Augen ſehen!
Eine gute Studie leidlich copiren, will nicht ſo
viel heißen! Glauben Sie denn, man laͤßt ſich
ohne Weiteres fuͤr Andere die Sonne auf den
Buckel zuͤnden?« u. ſ. f. Nun begann der ganze
Krieg des Tadels gegen das Bemuͤhen, demſelben
zuvorzukommen und ihm boshafte Streiche zu
ſpielen, von Neuem; Roͤmer ging mit hinaus
und malte ſelbſt, ſo daß er mich immer unter
ſeinen Augen hatte. Es war hier nicht gerathen,
die Thorheiten und Flauſen zu wiederholen, die
ich unter Herrn Haberſaat geſpielt hatte, da
Roͤmer durch Steine und Baͤume zu ſehen ſchien
und jedem Striche anmerkte, ob derſelbe gewiſſen¬
haft ſei oder nicht. Er ſah es jedem Aſte an,
ob derſelbe zu dick oder zu duͤnn ſei und wenn
ich meinte, derſelbe koͤnnte ja am Ende ſo ge¬
wachſen ſein, ſo ſagte er: »Laſſen Sie das gut
ſein! Die Natur iſt vernuͤnftig und zuverlaͤſſig;
uͤbrigens kennen wir ſolche Fineſſen wohl! Sie

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[39/0049] ſchadenfroh: »Ja, mein Lieber, das geht nicht ſo raſch! Ich habe es wohl gedacht, daß es ſo kommen wuͤrde; nun heißt es auf eigenen Fuͤßen ſtehen, oder vielmehr mit eigenen Augen ſehen! Eine gute Studie leidlich copiren, will nicht ſo viel heißen! Glauben Sie denn, man laͤßt ſich ohne Weiteres fuͤr Andere die Sonne auf den Buckel zuͤnden?« u. ſ. f. Nun begann der ganze Krieg des Tadels gegen das Bemuͤhen, demſelben zuvorzukommen und ihm boshafte Streiche zu ſpielen, von Neuem; Roͤmer ging mit hinaus und malte ſelbſt, ſo daß er mich immer unter ſeinen Augen hatte. Es war hier nicht gerathen, die Thorheiten und Flauſen zu wiederholen, die ich unter Herrn Haberſaat geſpielt hatte, da Roͤmer durch Steine und Baͤume zu ſehen ſchien und jedem Striche anmerkte, ob derſelbe gewiſſen¬ haft ſei oder nicht. Er ſah es jedem Aſte an, ob derſelbe zu dick oder zu duͤnn ſei und wenn ich meinte, derſelbe koͤnnte ja am Ende ſo ge¬ wachſen ſein, ſo ſagte er: »Laſſen Sie das gut ſein! Die Natur iſt vernuͤnftig und zuverlaͤſſig; uͤbrigens kennen wir ſolche Fineſſen wohl! Sie

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/49>, abgerufen am 24.11.2024.