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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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in Ferdinand's großes Atelier, wo schon alle Be¬
theiligten versammelt waren.

Man hatte kurze dreikantige Stoßdegen ge¬
wählt, welche mit einer vergoldeten Glocke ver¬
sehen waren, sehr hübsch aussahen und Pariser
genannt wurden. Jeder nahm seine Waffe, ohne
den Anderen anzusehen; doch als sie sich gegenüber¬
standen, mußten sie unwillkürlich lächeln und be¬
gannen mit sehnsüchtiger Lust die Klingen in behag¬
licher Langsamkeit aneinander hingleiten zu lassen.

Sie standen gerade vor dem wandgroßen
Bilde, auf welchem die Bank der Spötter gemalt
war. Das schöne Bild glänzte im Morgenlicht
und in all' seiner festen, vollen Farbenpracht, und
die Spötter schienen die Kämpfenden neugierig
und launig zu betrachten. Der Abbe nahm seine
Prise, der Alte schlug ein Schnippchen und der
Taugenichts hielt die Rose vor den höhnischen
Mund.

Bis jetzt war das Fechten ein Spiel gewesen,
bei welchem nichts herauskommen konnte, da Jeder
mit Leichtigkeit die Stöße des Anderen übersah
und parirte. Die scharfgeschliffenen Spitzen, welche

in Ferdinand's großes Atelier, wo ſchon alle Be¬
theiligten verſammelt waren.

Man hatte kurze dreikantige Stoßdegen ge¬
waͤhlt, welche mit einer vergoldeten Glocke ver¬
ſehen waren, ſehr huͤbſch ausſahen und Pariſer
genannt wurden. Jeder nahm ſeine Waffe, ohne
den Anderen anzuſehen; doch als ſie ſich gegenuͤber¬
ſtanden, mußten ſie unwillkuͤrlich laͤcheln und be¬
gannen mit ſehnſuͤchtiger Luſt die Klingen in behag¬
licher Langſamkeit aneinander hingleiten zu laſſen.

Sie ſtanden gerade vor dem wandgroßen
Bilde, auf welchem die Bank der Spoͤtter gemalt
war. Das ſchoͤne Bild glaͤnzte im Morgenlicht
und in all' ſeiner feſten, vollen Farbenpracht, und
die Spoͤtter ſchienen die Kaͤmpfenden neugierig
und launig zu betrachten. Der Abbé nahm ſeine
Priſe, der Alte ſchlug ein Schnippchen und der
Taugenichts hielt die Roſe vor den hoͤhniſchen
Mund.

Bis jetzt war das Fechten ein Spiel geweſen,
bei welchem nichts herauskommen konnte, da Jeder
mit Leichtigkeit die Stoͤße des Anderen uͤberſah
und parirte. Die ſcharfgeſchliffenen Spitzen, welche

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[357/0367] in Ferdinand's großes Atelier, wo ſchon alle Be¬ theiligten verſammelt waren. Man hatte kurze dreikantige Stoßdegen ge¬ waͤhlt, welche mit einer vergoldeten Glocke ver¬ ſehen waren, ſehr huͤbſch ausſahen und Pariſer genannt wurden. Jeder nahm ſeine Waffe, ohne den Anderen anzuſehen; doch als ſie ſich gegenuͤber¬ ſtanden, mußten ſie unwillkuͤrlich laͤcheln und be¬ gannen mit ſehnſuͤchtiger Luſt die Klingen in behag¬ licher Langſamkeit aneinander hingleiten zu laſſen. Sie ſtanden gerade vor dem wandgroßen Bilde, auf welchem die Bank der Spoͤtter gemalt war. Das ſchoͤne Bild glaͤnzte im Morgenlicht und in all' ſeiner feſten, vollen Farbenpracht, und die Spoͤtter ſchienen die Kaͤmpfenden neugierig und launig zu betrachten. Der Abbé nahm ſeine Priſe, der Alte ſchlug ein Schnippchen und der Taugenichts hielt die Roſe vor den hoͤhniſchen Mund. Bis jetzt war das Fechten ein Spiel geweſen, bei welchem nichts herauskommen konnte, da Jeder mit Leichtigkeit die Stoͤße des Anderen uͤberſah und parirte. Die ſcharfgeſchliffenen Spitzen, welche

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/367>, abgerufen am 24.11.2024.