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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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würdest! Ich bitte Dich aber jetzt, grüner Hein¬
rich, laß den lieben Gott aus dem Spiele, der
hat hier ganz und gar nichts damit zu thun! Ich
versichere Dich, ich würde mit oder ohne Gott
ganz der Gleiche sein! Das hängt nicht von mei¬
nem Glauben, sondern von meinen Augen, von
meinem Hirn, von meinem ganzen körperlichen
Wesen ab!"

"Und von Deinem Herzen!" rief Heinrich
zornig und außer sich, "ja, sagen wir es nur her¬
aus, nicht Dein Kopf, sondern Dein Herz kenn[e]
keinen Gott! Dein Glauben oder vielmehr Dein
Nichtglauben ist Dein Charakter!"

"Nun hab' ich genug, Verläumder!" donnerte
Ferdinand mit starkem und erschreckendem Tone,
"obgleich es ein Unsinn ist, den Du sprichst, wel¬
cher an sich nicht beleidigen kann, so weiß ich,
wie Du es meinst; denn ich kenne diese unver¬
schämte Sprache der Hirnspinner und Fanatiker,
die ich Dir nie, nie zugetraut hätte! Sogleich
nimm zurück, was Du gesagt hast! Denn ich lasse
nicht ungestraft meinen Charakter antasten!"

"Nichts nehm' ich zurück und werfe Dir Dei¬

wuͤrdeſt! Ich bitte Dich aber jetzt, gruͤner Hein¬
rich, laß den lieben Gott aus dem Spiele, der
hat hier ganz und gar nichts damit zu thun! Ich
verſichere Dich, ich wuͤrde mit oder ohne Gott
ganz der Gleiche ſein! Das haͤngt nicht von mei¬
nem Glauben, ſondern von meinen Augen, von
meinem Hirn, von meinem ganzen koͤrperlichen
Weſen ab!«

»Und von Deinem Herzen!« rief Heinrich
zornig und außer ſich, »ja, ſagen wir es nur her¬
aus, nicht Dein Kopf, ſondern Dein Herz kenn[e]
keinen Gott! Dein Glauben oder vielmehr Dein
Nichtglauben iſt Dein Charakter!«

»Nun hab' ich genug, Verlaͤumder!« donnerte
Ferdinand mit ſtarkem und erſchreckendem Tone,
»obgleich es ein Unſinn iſt, den Du ſprichſt, wel¬
cher an ſich nicht beleidigen kann, ſo weiß ich,
wie Du es meinſt; denn ich kenne dieſe unver¬
ſchaͤmte Sprache der Hirnſpinner und Fanatiker,
die ich Dir nie, nie zugetraut haͤtte! Sogleich
nimm zuruͤck, was Du geſagt haſt! Denn ich laſſe
nicht ungeſtraft meinen Charakter antaſten!«

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[352/0362] wuͤrdeſt! Ich bitte Dich aber jetzt, gruͤner Hein¬ rich, laß den lieben Gott aus dem Spiele, der hat hier ganz und gar nichts damit zu thun! Ich verſichere Dich, ich wuͤrde mit oder ohne Gott ganz der Gleiche ſein! Das haͤngt nicht von mei¬ nem Glauben, ſondern von meinen Augen, von meinem Hirn, von meinem ganzen koͤrperlichen Weſen ab!« »Und von Deinem Herzen!« rief Heinrich zornig und außer ſich, »ja, ſagen wir es nur her¬ aus, nicht Dein Kopf, ſondern Dein Herz kenne keinen Gott! Dein Glauben oder vielmehr Dein Nichtglauben iſt Dein Charakter!« »Nun hab' ich genug, Verlaͤumder!« donnerte Ferdinand mit ſtarkem und erſchreckendem Tone, »obgleich es ein Unſinn iſt, den Du ſprichſt, wel¬ cher an ſich nicht beleidigen kann, ſo weiß ich, wie Du es meinſt; denn ich kenne dieſe unver¬ ſchaͤmte Sprache der Hirnſpinner und Fanatiker, die ich Dir nie, nie zugetraut haͤtte! Sogleich nimm zuruͤck, was Du geſagt haſt! Denn ich laſſe nicht ungeſtraft meinen Charakter antaſten!« »Nichts nehm' ich zuruͤck und werfe Dir Dei¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/362>, abgerufen am 24.11.2024.