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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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Weibern ist, durch ein Weib von so unverwüst¬
licher Gesundheit, Heiterkeit, Güte und Klugheit,
wie diese Rosalie -- kann ein kluger Mann für
immer gefesselt werden. Wie beschämt sehe ich
nun ein, welche vergängliche Specialität, welch
phänomenartiges Wesen ich in dieser Agnes mir
zu verbinden im Begriffe war! Du aber schäme
Dich ebenfalls, als solch ein zierlich entworfenes,
aber noch leeres Schema in der Welt umherzu¬
laufen, wie ein Schatten ohne Körper! Suche,
daß Du endlich einen Inhalt, eine solide Füllung
bekommst, anstatt Anderen mit Deinem Wortge¬
klingel beschwerlich zu fallen!"

Vielfach beleidigt schwieg Heinrich eine Weile;
er war tief gereizt und es kochte und gährte ge¬
waltig in ihm; denn er war in seinem besten
Bewußtsein angegriffen und fühlte sich um so
verletzter und verwirrter, als in Ferdinand's Wor¬
ten etwas lag, das er im Augenblick nicht zu er¬
widern wußte. Der genossene Wein und die nun
schon vierundzwanzigstündige ununterbrochene Auf¬
regung thaten auch das ihrige, seine Lust, die
Sache vollends auszufechten, zu entflammen, und

Weibern iſt, durch ein Weib von ſo unverwuͤſt¬
licher Geſundheit, Heiterkeit, Guͤte und Klugheit,
wie dieſe Roſalie — kann ein kluger Mann fuͤr
immer gefeſſelt werden. Wie beſchaͤmt ſehe ich
nun ein, welche vergaͤngliche Specialitaͤt, welch
phaͤnomenartiges Weſen ich in dieſer Agnes mir
zu verbinden im Begriffe war! Du aber ſchaͤme
Dich ebenfalls, als ſolch ein zierlich entworfenes,
aber noch leeres Schema in der Welt umherzu¬
laufen, wie ein Schatten ohne Koͤrper! Suche,
daß Du endlich einen Inhalt, eine ſolide Fuͤllung
bekommſt, anſtatt Anderen mit Deinem Wortge¬
klingel beſchwerlich zu fallen!«

Vielfach beleidigt ſchwieg Heinrich eine Weile;
er war tief gereizt und es kochte und gaͤhrte ge¬
waltig in ihm; denn er war in ſeinem beſten
Bewußtſein angegriffen und fuͤhlte ſich um ſo
verletzter und verwirrter, als in Ferdinand's Wor¬
ten etwas lag, das er im Augenblick nicht zu er¬
widern wußte. Der genoſſene Wein und die nun
ſchon vierundzwanzigſtuͤndige ununterbrochene Auf¬
regung thaten auch das ihrige, ſeine Luſt, die
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[350/0360] Weibern iſt, durch ein Weib von ſo unverwuͤſt¬ licher Geſundheit, Heiterkeit, Guͤte und Klugheit, wie dieſe Roſalie — kann ein kluger Mann fuͤr immer gefeſſelt werden. Wie beſchaͤmt ſehe ich nun ein, welche vergaͤngliche Specialitaͤt, welch phaͤnomenartiges Weſen ich in dieſer Agnes mir zu verbinden im Begriffe war! Du aber ſchaͤme Dich ebenfalls, als ſolch ein zierlich entworfenes, aber noch leeres Schema in der Welt umherzu¬ laufen, wie ein Schatten ohne Koͤrper! Suche, daß Du endlich einen Inhalt, eine ſolide Fuͤllung bekommſt, anſtatt Anderen mit Deinem Wortge¬ klingel beſchwerlich zu fallen!« Vielfach beleidigt ſchwieg Heinrich eine Weile; er war tief gereizt und es kochte und gaͤhrte ge¬ waltig in ihm; denn er war in ſeinem beſten Bewußtſein angegriffen und fuͤhlte ſich um ſo verletzter und verwirrter, als in Ferdinand's Wor¬ ten etwas lag, das er im Augenblick nicht zu er¬ widern wußte. Der genoſſene Wein und die nun ſchon vierundzwanzigſtuͤndige ununterbrochene Auf¬ regung thaten auch das ihrige, ſeine Luſt, die Sache vollends auszufechten, zu entflammen, und

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/360>, abgerufen am 24.11.2024.