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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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genstände haftete, die Dir entgegen traten. Die
sinnliche Hälfte an das reife kräftige Weib, die
zartere geistige an das junge transparente Mäd¬
chen, das Du an jenes verrathen hast. Dies
würdest Du, trotz Deiner selbst, nie gethan ha¬
ben, wenn eine wirkliche ganze Liebe in Dir ge¬
wesen wäre! Wisse ferner, was mich betrifft:
jeder ganze Mann muß jedes annehmliche Weib
sogleich lieben, sei es für kürzer, länger oder im¬
mer, der Unterschied der Dauer liegt bloß in den
äußeren Umständen. Das Auge ist der Urheber,
der Vermittler und der Erhalter oder Vernichter
der Liebe; ich kann mir vornehmen, treu zu sein,
aber das Auge nimmt sich nichts vor, das ge¬
horcht und fügt sich der Kette der ewigen Natur¬
gesetze. Luther hat nur als Normalmann, als
einer von Denen gesprochen, welche Religionen
stiften, oder säubern und die Welt verändern,
wenn er sagte, er könne kein Weib ansehen ohne
ihrer zu begehren! Erst durch ein Weib, welches
durch specifisches Wesen, durch Reinheit von allem
eigensinnigen, kränklichen und absonderlichen Bei¬
werke, eine Darstellung einer ganzen Welt von

genſtaͤnde haftete, die Dir entgegen traten. Die
ſinnliche Haͤlfte an das reife kraͤftige Weib, die
zartere geiſtige an das junge transparente Maͤd¬
chen, das Du an jenes verrathen haſt. Dies
wuͤrdeſt Du, trotz Deiner ſelbſt, nie gethan ha¬
ben, wenn eine wirkliche ganze Liebe in Dir ge¬
weſen waͤre! Wiſſe ferner, was mich betrifft:
jeder ganze Mann muß jedes annehmliche Weib
ſogleich lieben, ſei es fuͤr kuͤrzer, laͤnger oder im¬
mer, der Unterſchied der Dauer liegt bloß in den
aͤußeren Umſtaͤnden. Das Auge iſt der Urheber,
der Vermittler und der Erhalter oder Vernichter
der Liebe; ich kann mir vornehmen, treu zu ſein,
aber das Auge nimmt ſich nichts vor, das ge¬
horcht und fuͤgt ſich der Kette der ewigen Natur¬
geſetze. Luther hat nur als Normalmann, als
einer von Denen geſprochen, welche Religionen
ſtiften, oder ſaͤubern und die Welt veraͤndern,
wenn er ſagte, er koͤnne kein Weib anſehen ohne
ihrer zu begehren! Erſt durch ein Weib, welches
durch ſpecifiſches Weſen, durch Reinheit von allem
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[349/0359] genſtaͤnde haftete, die Dir entgegen traten. Die ſinnliche Haͤlfte an das reife kraͤftige Weib, die zartere geiſtige an das junge transparente Maͤd¬ chen, das Du an jenes verrathen haſt. Dies wuͤrdeſt Du, trotz Deiner ſelbſt, nie gethan ha¬ ben, wenn eine wirkliche ganze Liebe in Dir ge¬ weſen waͤre! Wiſſe ferner, was mich betrifft: jeder ganze Mann muß jedes annehmliche Weib ſogleich lieben, ſei es fuͤr kuͤrzer, laͤnger oder im¬ mer, der Unterſchied der Dauer liegt bloß in den aͤußeren Umſtaͤnden. Das Auge iſt der Urheber, der Vermittler und der Erhalter oder Vernichter der Liebe; ich kann mir vornehmen, treu zu ſein, aber das Auge nimmt ſich nichts vor, das ge¬ horcht und fuͤgt ſich der Kette der ewigen Natur¬ geſetze. Luther hat nur als Normalmann, als einer von Denen geſprochen, welche Religionen ſtiften, oder ſaͤubern und die Welt veraͤndern, wenn er ſagte, er koͤnne kein Weib anſehen ohne ihrer zu begehren! Erſt durch ein Weib, welches durch ſpecifiſches Weſen, durch Reinheit von allem eigenſinnigen, kraͤnklichen und abſonderlichen Bei¬ werke, eine Darſtellung einer ganzen Welt von

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/359>, abgerufen am 24.11.2024.