selber sehr wohl kenne und daß Sie sich hin¬ sichtlich meines Wesens vollkommen getäuscht ha¬ ben. Sehen Sie, Herr Lys! (und hier zog sie ihre Hand zurück und maß ihm eine rosige Fin¬ gerspitze vor, indessen sie etwas ungeduldig mit den Füßchen strampelte) ich empfinde nicht so viel Neigung für Sie, und ich schwöre Ihnen, daß, was meine Freundlichkeit betrifft, dieselbe nun und nimmermehr das für Sie sein wird, was Sie Liebe nennen oder was ich Liebe nenne! Ja vielmehr steht sie auf dem Punkte, in Haß und Abscheu umzuschlagen, wenn Sie Ihr Benehmen nicht sogleich ändern! Entschließen Sie sich dazu, oder ich bitte Sie, mein Haus zu verlassen, denn Sie stören mir alle Freude und machen ein un¬ nützes Aufsehen!"
Als sie dies sprach, funkelte zuletzt durch alle lächelnde Freundlichkeit ein lichter Zorn in ihren Augen, gleich einen Blitz im Sonnenschein, wel¬ cher zwar bezaubernd, aber auch so deutlich und entschieden war, daß Lys nicht ein Wort zu er¬ widern wußte. Er sah sie erstaunt und wehmü¬ thig an, wie einer, der aus seiner ganzen persön¬
ſelber ſehr wohl kenne und daß Sie ſich hin¬ ſichtlich meines Weſens vollkommen getaͤuſcht ha¬ ben. Sehen Sie, Herr Lys! (und hier zog ſie ihre Hand zuruͤck und maß ihm eine roſige Fin¬ gerſpitze vor, indeſſen ſie etwas ungeduldig mit den Fuͤßchen ſtrampelte) ich empfinde nicht ſo viel Neigung fuͤr Sie, und ich ſchwoͤre Ihnen, daß, was meine Freundlichkeit betrifft, dieſelbe nun und nimmermehr das fuͤr Sie ſein wird, was Sie Liebe nennen oder was ich Liebe nenne! Ja vielmehr ſteht ſie auf dem Punkte, in Haß und Abſcheu umzuſchlagen, wenn Sie Ihr Benehmen nicht ſogleich aͤndern! Entſchließen Sie ſich dazu, oder ich bitte Sie, mein Haus zu verlaſſen, denn Sie ſtoͤren mir alle Freude und machen ein un¬ nuͤtzes Aufſehen!«
Als ſie dies ſprach, funkelte zuletzt durch alle laͤchelnde Freundlichkeit ein lichter Zorn in ihren Augen, gleich einen Blitz im Sonnenſchein, wel¬ cher zwar bezaubernd, aber auch ſo deutlich und entſchieden war, daß Lys nicht ein Wort zu er¬ widern wußte. Er ſah ſie erſtaunt und wehmuͤ¬ thig an, wie einer, der aus ſeiner ganzen perſoͤn¬
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ſelber ſehr wohl kenne und daß Sie ſich hin¬
ſichtlich meines Weſens vollkommen getaͤuſcht ha¬
ben. Sehen Sie, Herr Lys! (und hier zog ſie
ihre Hand zuruͤck und maß ihm eine roſige Fin¬
gerſpitze vor, indeſſen ſie etwas ungeduldig mit
den Fuͤßchen ſtrampelte) ich empfinde nicht ſo viel
Neigung fuͤr Sie, und ich ſchwoͤre Ihnen, daß,
was meine Freundlichkeit betrifft, dieſelbe nun
und nimmermehr das fuͤr Sie ſein wird, was
Sie Liebe nennen oder was ich Liebe nenne! Ja
vielmehr ſteht ſie auf dem Punkte, in Haß und
Abſcheu umzuſchlagen, wenn Sie Ihr Benehmen
nicht ſogleich aͤndern! Entſchließen Sie ſich dazu,
oder ich bitte Sie, mein Haus zu verlaſſen, denn
Sie ſtoͤren mir alle Freude und machen ein un¬
nuͤtzes Aufſehen!«
Als ſie dies ſprach, funkelte zuletzt durch alle
laͤchelnde Freundlichkeit ein lichter Zorn in ihren
Augen, gleich einen Blitz im Sonnenſchein, wel¬
cher zwar bezaubernd, aber auch ſo deutlich und
entſchieden war, daß Lys nicht ein Wort zu er¬
widern wußte. Er ſah ſie erſtaunt und wehmuͤ¬
thig an, wie einer, der aus ſeiner ganzen perſoͤn¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/342>, abgerufen am 22.11.2024.
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