beträgt sich unanständig. Ja, ja, sieh nur zu, Nesi! lernst Du das von mir? Siehst Du nicht auf diesem Bild, welchen Anstand ich hatte, als ich jung war? Sah ich nicht aus, wie eine Edeldame?"
Heinrich antwortete auf alles dies mit seiner Einladung, welche er sowohl in Ferdinand's als in Rosaliens Namen ausrichtete; er suchte einige Gründe hervor, warum er und nicht jener selbst komme, indessen die Mutter einmal über das an¬ dere rief: "So mach', so mach', Nesi! Jesus Maria, wie reiche Leute sind da beisammen! Ein Bischen zu klein, ein kleines Bischen ist die gnä¬ dige Frau, sonst aber reizend! Nun kannst Du nachholen, was Du gestern etwa versäumt und verbrochen! Geh, kleide Dich an, Undankbare! mit den kostbaren Kleidern, die Herr Ferdinand Dir geschenkt! Da liegt der köstliche Halbmond am Boden. Aber komm, jetzt muß ich Dir das Haar machen, wenn's der Herr erlaubt!"
Agnes setzte sich mitten in die Stube; ihre Augen funkelten und die Wangen rötheten sich leis von Hoffnung. Ihre Mutter frisirte sie nun
betraͤgt ſich unanſtaͤndig. Ja, ja, ſieh nur zu, Neſi! lernſt Du das von mir? Siehſt Du nicht auf dieſem Bild, welchen Anſtand ich hatte, als ich jung war? Sah ich nicht aus, wie eine Edeldame?«
Heinrich antwortete auf alles dies mit ſeiner Einladung, welche er ſowohl in Ferdinand's als in Roſaliens Namen ausrichtete; er ſuchte einige Gruͤnde hervor, warum er und nicht jener ſelbſt komme, indeſſen die Mutter einmal uͤber das an¬ dere rief: »So mach', ſo mach', Neſi! Jeſus Maria, wie reiche Leute ſind da beiſammen! Ein Bischen zu klein, ein kleines Bischen iſt die gnaͤ¬ dige Frau, ſonſt aber reizend! Nun kannſt Du nachholen, was Du geſtern etwa verſaͤumt und verbrochen! Geh, kleide Dich an, Undankbare! mit den koſtbaren Kleidern, die Herr Ferdinand Dir geſchenkt! Da liegt der koͤſtliche Halbmond am Boden. Aber komm, jetzt muß ich Dir das Haar machen, wenn's der Herr erlaubt!«
Agnes ſetzte ſich mitten in die Stube; ihre Augen funkelten und die Wangen roͤtheten ſich leis von Hoffnung. Ihre Mutter friſirte ſie nun
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betraͤgt ſich unanſtaͤndig. Ja, ja, ſieh nur zu,
Neſi! lernſt Du das von mir? Siehſt Du nicht
auf dieſem Bild, welchen Anſtand ich hatte, als
ich jung war? Sah ich nicht aus, wie eine
Edeldame?«
Heinrich antwortete auf alles dies mit ſeiner
Einladung, welche er ſowohl in Ferdinand's als
in Roſaliens Namen ausrichtete; er ſuchte einige
Gruͤnde hervor, warum er und nicht jener ſelbſt
komme, indeſſen die Mutter einmal uͤber das an¬
dere rief: »So mach', ſo mach', Neſi! Jeſus
Maria, wie reiche Leute ſind da beiſammen! Ein
Bischen zu klein, ein kleines Bischen iſt die gnaͤ¬
dige Frau, ſonſt aber reizend! Nun kannſt Du
nachholen, was Du geſtern etwa verſaͤumt und
verbrochen! Geh, kleide Dich an, Undankbare!
mit den koſtbaren Kleidern, die Herr Ferdinand
Dir geſchenkt! Da liegt der koͤſtliche Halbmond
am Boden. Aber komm, jetzt muß ich Dir das
Haar machen, wenn's der Herr erlaubt!«
Agnes ſetzte ſich mitten in die Stube; ihre
Augen funkelten und die Wangen roͤtheten ſich
leis von Hoffnung. Ihre Mutter friſirte ſie nun
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/320>, abgerufen am 22.11.2024.
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