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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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Aber alles dies geschah mit reißender Schnel¬
ligkeit in wenig Augenblicken, und er ließ sich,
schon von anderen Gedanken ergriffen, von der
Birke herunter, als eben Erikson aus der Stadt
herangeschritten kam.

Ihr erstes Gespräch war das Benehmen Fer¬
dinand's. Erikson sagte nicht viel, während Hein¬
rich mit großer Beredsamkeit sein Erstaunen aus¬
drückte, wie jener ein solches Wesen, wie Agnes
sei, also behandeln könne. Er ergoß sich in den
bittersten Tadel und um so lauter, als er selbst
in das schöne Kind verliebt war und sein Gewis¬
sen ihm sagte, daß das nichts weniger als in der
Ordnung sei.

Erikson hörte nicht viel darauf, sondern sagte:
"Ich will wetten, daß er das arme Ding heute
sitzen läßt und nicht mitbringt. Wir sollten ihm
aber einen Streich spielen, damit er zur Vernunft
kommt. Nimm einen der Wagen, fahre in die
Stadt und sieh ein wenig zu! Findest Du den
verliebten Teufel nicht zu Hause, noch bei dem
Mädchen, so bring' dieses ohne Weiteres mit, und
zwar in Rosaliens Namen und Auftrag, so kann

Aber alles dies geſchah mit reißender Schnel¬
ligkeit in wenig Augenblicken, und er ließ ſich,
ſchon von anderen Gedanken ergriffen, von der
Birke herunter, als eben Erikſon aus der Stadt
herangeſchritten kam.

Ihr erſtes Geſpraͤch war das Benehmen Fer¬
dinand's. Erikſon ſagte nicht viel, waͤhrend Hein¬
rich mit großer Beredſamkeit ſein Erſtaunen aus¬
druͤckte, wie jener ein ſolches Weſen, wie Agnes
ſei, alſo behandeln koͤnne. Er ergoß ſich in den
bitterſten Tadel und um ſo lauter, als er ſelbſt
in das ſchoͤne Kind verliebt war und ſein Gewiſ¬
ſen ihm ſagte, daß das nichts weniger als in der
Ordnung ſei.

Erikſon hoͤrte nicht viel darauf, ſondern ſagte:
»Ich will wetten, daß er das arme Ding heute
ſitzen laͤßt und nicht mitbringt. Wir ſollten ihm
aber einen Streich ſpielen, damit er zur Vernunft
kommt. Nimm einen der Wagen, fahre in die
Stadt und ſieh ein wenig zu! Findeſt Du den
verliebten Teufel nicht zu Hauſe, noch bei dem
Maͤdchen, ſo bring' dieſes ohne Weiteres mit, und
zwar in Roſaliens Namen und Auftrag, ſo kann

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[307/0317] Aber alles dies geſchah mit reißender Schnel¬ ligkeit in wenig Augenblicken, und er ließ ſich, ſchon von anderen Gedanken ergriffen, von der Birke herunter, als eben Erikſon aus der Stadt herangeſchritten kam. Ihr erſtes Geſpraͤch war das Benehmen Fer¬ dinand's. Erikſon ſagte nicht viel, waͤhrend Hein¬ rich mit großer Beredſamkeit ſein Erſtaunen aus¬ druͤckte, wie jener ein ſolches Weſen, wie Agnes ſei, alſo behandeln koͤnne. Er ergoß ſich in den bitterſten Tadel und um ſo lauter, als er ſelbſt in das ſchoͤne Kind verliebt war und ſein Gewiſ¬ ſen ihm ſagte, daß das nichts weniger als in der Ordnung ſei. Erikſon hoͤrte nicht viel darauf, ſondern ſagte: »Ich will wetten, daß er das arme Ding heute ſitzen laͤßt und nicht mitbringt. Wir ſollten ihm aber einen Streich ſpielen, damit er zur Vernunft kommt. Nimm einen der Wagen, fahre in die Stadt und ſieh ein wenig zu! Findeſt Du den verliebten Teufel nicht zu Hauſe, noch bei dem Maͤdchen, ſo bring' dieſes ohne Weiteres mit, und zwar in Roſaliens Namen und Auftrag, ſo kann

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/317>, abgerufen am 25.11.2024.