die er in fortwährendem Gebrauche um sich ge¬ habt, ohne sich dessen inne zu sein.
Er sah deutlich ihre Gestalt, kleine Beschädi¬ gungen, und erinnerte sich, wo und wann er sie verfertigt, ein Stückchen Papier abgerissen oder mit dem Federmesser daran gekritzelt hatte.
Sogleich glaubte er vom Baume herunter¬ springen, nach Hause laufen und die unschuldigen Sachen vernichten zu müssen. Denn sie kamen ihm nun ganz unerträglich vor. Er sah auch seine Jugendgeschichte vor Augen, ihren Einband, den er selbst verfertigt, das Geschreibsel, Alles würde er sogleich zerrissen und vernichtet haben, wenn er es in Händen gehabt hätte.
Alles Vergangene erschien ihm thöricht, dumpf und beschämend, auch erinnerte er sich genau aller Dummheiten, die er gemacht, sogar solcher, die er im Kinderröckchen begangen, und er fühlte sich roth werden über alle, weil er sich jetzt un¬ endlich klug und gereift vorkam. Auch nahm er sich vor, von diesem Augenblicke an ganz klug zu sein und durchaus nichts Thörichtes mehr anzustellen.
die er in fortwaͤhrendem Gebrauche um ſich ge¬ habt, ohne ſich deſſen inne zu ſein.
Er ſah deutlich ihre Geſtalt, kleine Beſchaͤdi¬ gungen, und erinnerte ſich, wo und wann er ſie verfertigt, ein Stuͤckchen Papier abgeriſſen oder mit dem Federmeſſer daran gekritzelt hatte.
Sogleich glaubte er vom Baume herunter¬ ſpringen, nach Hauſe laufen und die unſchuldigen Sachen vernichten zu muͤſſen. Denn ſie kamen ihm nun ganz unertraͤglich vor. Er ſah auch ſeine Jugendgeſchichte vor Augen, ihren Einband, den er ſelbſt verfertigt, das Geſchreibſel, Alles wuͤrde er ſogleich zerriſſen und vernichtet haben, wenn er es in Haͤnden gehabt haͤtte.
Alles Vergangene erſchien ihm thoͤricht, dumpf und beſchaͤmend, auch erinnerte er ſich genau aller Dummheiten, die er gemacht, ſogar ſolcher, die er im Kinderroͤckchen begangen, und er fuͤhlte ſich roth werden uͤber alle, weil er ſich jetzt un¬ endlich klug und gereift vorkam. Auch nahm er ſich vor, von dieſem Augenblicke an ganz klug zu ſein und durchaus nichts Thoͤrichtes mehr anzuſtellen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0316"n="306"/>
die er in fortwaͤhrendem Gebrauche um ſich ge¬<lb/>
habt, ohne ſich deſſen inne zu ſein.</p><lb/><p>Er ſah deutlich ihre Geſtalt, kleine Beſchaͤdi¬<lb/>
gungen, und erinnerte ſich, wo und wann er ſie<lb/>
verfertigt, ein Stuͤckchen Papier abgeriſſen oder<lb/>
mit dem Federmeſſer daran gekritzelt hatte.</p><lb/><p>Sogleich glaubte er vom Baume herunter¬<lb/>ſpringen, nach Hauſe laufen und die unſchuldigen<lb/>
Sachen vernichten zu muͤſſen. Denn ſie kamen<lb/>
ihm nun ganz unertraͤglich vor. Er ſah auch<lb/>ſeine Jugendgeſchichte vor Augen, ihren Einband,<lb/>
den er ſelbſt verfertigt, das Geſchreibſel, Alles<lb/>
wuͤrde er ſogleich zerriſſen und vernichtet haben,<lb/>
wenn er es in Haͤnden gehabt haͤtte.</p><lb/><p>Alles Vergangene erſchien ihm thoͤricht, dumpf<lb/>
und beſchaͤmend, auch erinnerte er ſich genau<lb/>
aller Dummheiten, die er gemacht, ſogar ſolcher,<lb/>
die er im Kinderroͤckchen begangen, und er fuͤhlte<lb/>ſich roth werden uͤber alle, weil er ſich jetzt un¬<lb/>
endlich klug und gereift vorkam. Auch nahm er<lb/>ſich vor, von dieſem Augenblicke an ganz klug<lb/>
zu ſein und durchaus nichts Thoͤrichtes mehr<lb/>
anzuſtellen.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[306/0316]
die er in fortwaͤhrendem Gebrauche um ſich ge¬
habt, ohne ſich deſſen inne zu ſein.
Er ſah deutlich ihre Geſtalt, kleine Beſchaͤdi¬
gungen, und erinnerte ſich, wo und wann er ſie
verfertigt, ein Stuͤckchen Papier abgeriſſen oder
mit dem Federmeſſer daran gekritzelt hatte.
Sogleich glaubte er vom Baume herunter¬
ſpringen, nach Hauſe laufen und die unſchuldigen
Sachen vernichten zu muͤſſen. Denn ſie kamen
ihm nun ganz unertraͤglich vor. Er ſah auch
ſeine Jugendgeſchichte vor Augen, ihren Einband,
den er ſelbſt verfertigt, das Geſchreibſel, Alles
wuͤrde er ſogleich zerriſſen und vernichtet haben,
wenn er es in Haͤnden gehabt haͤtte.
Alles Vergangene erſchien ihm thoͤricht, dumpf
und beſchaͤmend, auch erinnerte er ſich genau
aller Dummheiten, die er gemacht, ſogar ſolcher,
die er im Kinderroͤckchen begangen, und er fuͤhlte
ſich roth werden uͤber alle, weil er ſich jetzt un¬
endlich klug und gereift vorkam. Auch nahm er
ſich vor, von dieſem Augenblicke an ganz klug
zu ſein und durchaus nichts Thoͤrichtes mehr
anzuſtellen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/316>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.