Saale bei offenen Thüren eine Singschule. Es wurde unter den zünftigen Gebräuchen wettge¬ sungen, ein Schulfreund oder Singer zum Meister gesprochen u. dergl. Die vorgetragenen Gedichte enthielten Lobpreisungen und Danksagungen gegen den kunstsinnigen König, dann aber hauptsächlich Hecheleien der verschiedenen Kunstrichtungen, Ver¬ spottung irgend einer anmaßlichen oder eigensin¬ nigen Gestalt der Künstlerschaft, Klagen über Verwaltung gemeinsamer Anstalten, gesellige Uebelstände und solches mehr. Es war so zu sagen eine allgemeine Abrechnung, und vorsorg¬ lich hatte jede Richtung und jede Größe ihren Vertreter mit fertigem Gedicht unter die Meister¬ sänger gesteckt. Es erklangen öfter ganz scharfe und satyrische Verse, aber dieser Inhalt nahm sich höchst seltsam aus in den trockenen und feier¬ lichen Formen, in denen er vorgebracht wurde, und mit dem komischen Wesen dieser Formen. Denn während alle Singenden in demselben ein¬ tönigen und schalkhaften Leierton ihr Gedicht san¬ gen, und in denselben Knittelversen, so wurde doch bei jedem vorher mit lautem Ausruf eine
Saale bei offenen Thuͤren eine Singſchule. Es wurde unter den zuͤnftigen Gebraͤuchen wettge¬ ſungen, ein Schulfreund oder Singer zum Meiſter geſprochen u. dergl. Die vorgetragenen Gedichte enthielten Lobpreiſungen und Dankſagungen gegen den kunſtſinnigen Koͤnig, dann aber hauptſaͤchlich Hecheleien der verſchiedenen Kunſtrichtungen, Ver¬ ſpottung irgend einer anmaßlichen oder eigenſin¬ nigen Geſtalt der Kuͤnſtlerſchaft, Klagen uͤber Verwaltung gemeinſamer Anſtalten, geſellige Uebelſtaͤnde und ſolches mehr. Es war ſo zu ſagen eine allgemeine Abrechnung, und vorſorg¬ lich hatte jede Richtung und jede Groͤße ihren Vertreter mit fertigem Gedicht unter die Meiſter¬ ſaͤnger geſteckt. Es erklangen oͤfter ganz ſcharfe und ſatyriſche Verſe, aber dieſer Inhalt nahm ſich hoͤchſt ſeltſam aus in den trockenen und feier¬ lichen Formen, in denen er vorgebracht wurde, und mit dem komiſchen Weſen dieſer Formen. Denn waͤhrend alle Singenden in demſelben ein¬ toͤnigen und ſchalkhaften Leierton ihr Gedicht ſan¬ gen, und in denſelben Knittelverſen, ſo wurde doch bei jedem vorher mit lautem Ausruf eine
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Saale bei offenen Thuͤren eine Singſchule. Es
wurde unter den zuͤnftigen Gebraͤuchen wettge¬
ſungen, ein Schulfreund oder Singer zum Meiſter
geſprochen u. dergl. Die vorgetragenen Gedichte
enthielten Lobpreiſungen und Dankſagungen gegen
den kunſtſinnigen Koͤnig, dann aber hauptſaͤchlich
Hecheleien der verſchiedenen Kunſtrichtungen, Ver¬
ſpottung irgend einer anmaßlichen oder eigenſin¬
nigen Geſtalt der Kuͤnſtlerſchaft, Klagen uͤber
Verwaltung gemeinſamer Anſtalten, geſellige
Uebelſtaͤnde und ſolches mehr. Es war ſo zu
ſagen eine allgemeine Abrechnung, und vorſorg¬
lich hatte jede Richtung und jede Groͤße ihren
Vertreter mit fertigem Gedicht unter die Meiſter¬
ſaͤnger geſteckt. Es erklangen oͤfter ganz ſcharfe
und ſatyriſche Verſe, aber dieſer Inhalt nahm
ſich hoͤchſt ſeltſam aus in den trockenen und feier¬
lichen Formen, in denen er vorgebracht wurde,
und mit dem komiſchen Weſen dieſer Formen.
Denn waͤhrend alle Singenden in demſelben ein¬
toͤnigen und ſchalkhaften Leierton ihr Gedicht ſan¬
gen, und in denſelben Knittelverſen, ſo wurde
doch bei jedem vorher mit lautem Ausruf eine
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/295>, abgerufen am 25.11.2024.
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