Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

Künstlern dem Rath am nächsten und sind dem
Bürgerkinde stets eine werthe Erscheinung, welche
ihm Einsicht, Maß und Zierde bedeutet, Rath
und That für das öffentliche Ganze, wie für das
Bedürfniß des Einzelnen. Sie sind am innigsten
mit Land und Boden verbunden; denn sie bauen
das Unbewegliche und müssen daher kundig sein
in Fels und Wald, wie am rauschenden Wasser.
Ganz in diesem Sinne erschien in dem Zuge mit
den Maurer- und Zimmermeistern besonders der
Eine der beiden Behaims, Hans, von dem die
Nachrichten sagen, er sei angesehen gewesen bei
Rath und Gemeinde, freundlich und gütigen Be¬
scheids gegen Jedermann, wie gegen die geringsten
seiner Arbeitsleute. Wenn man an die zierbe¬
gabten und gewaltigen Bauwerke jener Glanzzeit
denkt, so muß man dieses Mannes vorzüglich zu¬
gleich gedenken. Wir aber, die wir nach mensch¬
licher Schwachheit immer lieber das auffallende
und seltsame Gute, als das in gereihter sicherer
Ordnung erwachsene, betrachten, sehen jetzt mit
Vorliebe jenen großen dickstarken Mann heran¬
schreiten, den Zimmermann Georg Weber, zu

Kuͤnſtlern dem Rath am naͤchſten und ſind dem
Buͤrgerkinde ſtets eine werthe Erſcheinung, welche
ihm Einſicht, Maß und Zierde bedeutet, Rath
und That fuͤr das oͤffentliche Ganze, wie fuͤr das
Beduͤrfniß des Einzelnen. Sie ſind am innigſten
mit Land und Boden verbunden; denn ſie bauen
das Unbewegliche und muͤſſen daher kundig ſein
in Fels und Wald, wie am rauſchenden Waſſer.
Ganz in dieſem Sinne erſchien in dem Zuge mit
den Maurer- und Zimmermeiſtern beſonders der
Eine der beiden Behaims, Hans, von dem die
Nachrichten ſagen, er ſei angeſehen geweſen bei
Rath und Gemeinde, freundlich und guͤtigen Be¬
ſcheids gegen Jedermann, wie gegen die geringſten
ſeiner Arbeitsleute. Wenn man an die zierbe¬
gabten und gewaltigen Bauwerke jener Glanzzeit
denkt, ſo muß man dieſes Mannes vorzuͤglich zu¬
gleich gedenken. Wir aber, die wir nach menſch¬
licher Schwachheit immer lieber das auffallende
und ſeltſame Gute, als das in gereihter ſicherer
Ordnung erwachſene, betrachten, ſehen jetzt mit
Vorliebe jenen großen dickſtarken Mann heran¬
ſchreiten, den Zimmermann Georg Weber, zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0262" n="252"/>
Ku&#x0364;n&#x017F;tlern dem Rath am na&#x0364;ch&#x017F;ten und &#x017F;ind dem<lb/>
Bu&#x0364;rgerkinde &#x017F;tets eine werthe Er&#x017F;cheinung, welche<lb/>
ihm Ein&#x017F;icht, Maß und Zierde bedeutet, Rath<lb/>
und That fu&#x0364;r das o&#x0364;ffentliche Ganze, wie fu&#x0364;r das<lb/>
Bedu&#x0364;rfniß des Einzelnen. Sie &#x017F;ind am innig&#x017F;ten<lb/>
mit Land und Boden verbunden; denn &#x017F;ie bauen<lb/>
das Unbewegliche und mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en daher kundig &#x017F;ein<lb/>
in Fels und Wald, wie am rau&#x017F;chenden Wa&#x017F;&#x017F;er.<lb/>
Ganz in die&#x017F;em Sinne er&#x017F;chien in dem Zuge mit<lb/>
den Maurer- und Zimmermei&#x017F;tern be&#x017F;onders der<lb/>
Eine der beiden Behaims, Hans, von dem die<lb/>
Nachrichten &#x017F;agen, er &#x017F;ei ange&#x017F;ehen gewe&#x017F;en bei<lb/>
Rath und Gemeinde, freundlich und gu&#x0364;tigen Be¬<lb/>
&#x017F;cheids gegen Jedermann, wie gegen die gering&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;einer Arbeitsleute. Wenn man an die zierbe¬<lb/>
gabten und gewaltigen Bauwerke jener Glanzzeit<lb/>
denkt, &#x017F;o muß man die&#x017F;es Mannes vorzu&#x0364;glich zu¬<lb/>
gleich gedenken. Wir aber, die wir nach men&#x017F;ch¬<lb/>
licher Schwachheit immer lieber das auffallende<lb/>
und &#x017F;elt&#x017F;ame Gute, als das in gereihter &#x017F;icherer<lb/>
Ordnung erwach&#x017F;ene, betrachten, &#x017F;ehen jetzt mit<lb/>
Vorliebe jenen großen dick&#x017F;tarken Mann heran¬<lb/>
&#x017F;chreiten, den Zimmermann Georg Weber, zu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[252/0262] Kuͤnſtlern dem Rath am naͤchſten und ſind dem Buͤrgerkinde ſtets eine werthe Erſcheinung, welche ihm Einſicht, Maß und Zierde bedeutet, Rath und That fuͤr das oͤffentliche Ganze, wie fuͤr das Beduͤrfniß des Einzelnen. Sie ſind am innigſten mit Land und Boden verbunden; denn ſie bauen das Unbewegliche und muͤſſen daher kundig ſein in Fels und Wald, wie am rauſchenden Waſſer. Ganz in dieſem Sinne erſchien in dem Zuge mit den Maurer- und Zimmermeiſtern beſonders der Eine der beiden Behaims, Hans, von dem die Nachrichten ſagen, er ſei angeſehen geweſen bei Rath und Gemeinde, freundlich und guͤtigen Be¬ ſcheids gegen Jedermann, wie gegen die geringſten ſeiner Arbeitsleute. Wenn man an die zierbe¬ gabten und gewaltigen Bauwerke jener Glanzzeit denkt, ſo muß man dieſes Mannes vorzuͤglich zu¬ gleich gedenken. Wir aber, die wir nach menſch¬ licher Schwachheit immer lieber das auffallende und ſeltſame Gute, als das in gereihter ſicherer Ordnung erwachſene, betrachten, ſehen jetzt mit Vorliebe jenen großen dickſtarken Mann heran¬ ſchreiten, den Zimmermann Georg Weber, zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/262
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/262>, abgerufen am 25.11.2024.