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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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Bild aufzudrücken, sich blühend entfaltete. Ein
tödtlicher Frost ist dann lange Jahre hindurch auf
diesen Blüthendrang, der in allem Handwerk
trieb, gefallen, und erst in neuester Zeit erholt er
sich wieder ein wenig und fängt gerade, die bis
zur Ueberfeinerung gediehene Kupferstecherei der
verdunkelten Jahre überspringend, wieder da an,
wie ehemals, nämlich beim Holzschnitt. Aber
noch wuchert mit der zehnfachen Mühe, mit wel¬
cher das Gute zu thun wäre, das Krabbeliche,
Charakterlose und Schwächliche und überwuchert
das Klare und Feste, und das Uebel scheint von
oben zu kommen, wo man den festen Gedanken,
der zur festen Form gehört, nicht freigeben will.
Bezeichnend hiefür ist ein Zug, welcher sich un¬
längst zutrug. Der König eines großen deutschen
Staates hatte über seine eigenen Porzellanwerk¬
stätten in ernster Kunst ergraute Männer gesetzt,
daß sie die Formen der Gefäße überwachten und
den unreinen Geschmack austrieben und fernhiel¬
ten. Allein eine überroyalistische Zeitung tadelte
des Königs Maßregel und bemerkte ziemlich un¬
botmäßig, daß sich die vornehme Welt wohl keinen

Bild aufzudruͤcken, ſich bluͤhend entfaltete. Ein
toͤdtlicher Froſt iſt dann lange Jahre hindurch auf
dieſen Bluͤthendrang, der in allem Handwerk
trieb, gefallen, und erſt in neueſter Zeit erholt er
ſich wieder ein wenig und faͤngt gerade, die bis
zur Ueberfeinerung gediehene Kupferſtecherei der
verdunkelten Jahre uͤberſpringend, wieder da an,
wie ehemals, naͤmlich beim Holzſchnitt. Aber
noch wuchert mit der zehnfachen Muͤhe, mit wel¬
cher das Gute zu thun waͤre, das Krabbeliche,
Charakterloſe und Schwaͤchliche und uͤberwuchert
das Klare und Feſte, und das Uebel ſcheint von
oben zu kommen, wo man den feſten Gedanken,
der zur feſten Form gehoͤrt, nicht freigeben will.
Bezeichnend hiefuͤr iſt ein Zug, welcher ſich un¬
laͤngſt zutrug. Der Koͤnig eines großen deutſchen
Staates hatte uͤber ſeine eigenen Porzellanwerk¬
ſtaͤtten in ernſter Kunſt ergraute Maͤnner geſetzt,
daß ſie die Formen der Gefaͤße uͤberwachten und
den unreinen Geſchmack austrieben und fernhiel¬
ten. Allein eine uͤberroyaliſtiſche Zeitung tadelte
des Koͤnigs Maßregel und bemerkte ziemlich un¬
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[246/0256] Bild aufzudruͤcken, ſich bluͤhend entfaltete. Ein toͤdtlicher Froſt iſt dann lange Jahre hindurch auf dieſen Bluͤthendrang, der in allem Handwerk trieb, gefallen, und erſt in neueſter Zeit erholt er ſich wieder ein wenig und faͤngt gerade, die bis zur Ueberfeinerung gediehene Kupferſtecherei der verdunkelten Jahre uͤberſpringend, wieder da an, wie ehemals, naͤmlich beim Holzſchnitt. Aber noch wuchert mit der zehnfachen Muͤhe, mit wel¬ cher das Gute zu thun waͤre, das Krabbeliche, Charakterloſe und Schwaͤchliche und uͤberwuchert das Klare und Feſte, und das Uebel ſcheint von oben zu kommen, wo man den feſten Gedanken, der zur feſten Form gehoͤrt, nicht freigeben will. Bezeichnend hiefuͤr iſt ein Zug, welcher ſich un¬ laͤngſt zutrug. Der Koͤnig eines großen deutſchen Staates hatte uͤber ſeine eigenen Porzellanwerk¬ ſtaͤtten in ernſter Kunſt ergraute Maͤnner geſetzt, daß ſie die Formen der Gefaͤße uͤberwachten und den unreinen Geſchmack austrieben und fernhiel¬ ten. Allein eine uͤberroyaliſtiſche Zeitung tadelte des Koͤnigs Maßregel und bemerkte ziemlich un¬ botmaͤßig, daß ſich die vornehme Welt wohl keinen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/256>, abgerufen am 22.11.2024.