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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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seiner Selbstsucht für vollkommen frei. Wenn
er aber das Mädchen nur ein einziges Mal ge¬
küßt habe, gab er sich das Wort, so solle sie un¬
verbrüchlich die Seinige sein.

Agnes aber hatte einen ähnlichen Plan in
ihrem Herzchen ausgesponnen, der indessen sehr
einfach war. Sie gedachte, in einem geeigneten
günstigen Augenblicke ohne Weiteres mit ihren
Armen den Geliebten zu umstricken und zum Ge¬
ständniß seiner Neigung zu zwingen, und falls
dies noch nicht hülfe, die Aufregung der Festfreude
benutzend, ihn so mit Liebeschmeicheln zu berau¬
schen und förmlich zu verführen, daß er das Opfer
ihrer Unschuld nähme. Dieser verzweifelte Plan
gohr und rumorte in ihrem pochenden Busen,
daß sie wie eine Träumende umherging und nicht
einmal bemerkte, wie Ferdinand starr auf ihren
jungen Busen hinsah, als er einen Augenblick
beim Probiren der schimmernden Festgewänder
entblößt wurde. Sie war in ihrer Unschuld fest
überzeugt, daß Ferdinand, wenn ihr Plan ge¬
länge, alsdann für immer der Ihrige würde.

In nicht so bedenklicher Lage fand sich Erik¬

ſeiner Selbſtſucht fuͤr vollkommen frei. Wenn
er aber das Maͤdchen nur ein einziges Mal ge¬
kuͤßt habe, gab er ſich das Wort, ſo ſolle ſie un¬
verbruͤchlich die Seinige ſein.

Agnes aber hatte einen aͤhnlichen Plan in
ihrem Herzchen ausgeſponnen, der indeſſen ſehr
einfach war. Sie gedachte, in einem geeigneten
guͤnſtigen Augenblicke ohne Weiteres mit ihren
Armen den Geliebten zu umſtricken und zum Ge¬
ſtaͤndniß ſeiner Neigung zu zwingen, und falls
dies noch nicht huͤlfe, die Aufregung der Feſtfreude
benutzend, ihn ſo mit Liebeſchmeicheln zu berau¬
ſchen und foͤrmlich zu verfuͤhren, daß er das Opfer
ihrer Unſchuld naͤhme. Dieſer verzweifelte Plan
gohr und rumorte in ihrem pochenden Buſen,
daß ſie wie eine Traͤumende umherging und nicht
einmal bemerkte, wie Ferdinand ſtarr auf ihren
jungen Buſen hinſah, als er einen Augenblick
beim Probiren der ſchimmernden Feſtgewaͤnder
entbloͤßt wurde. Sie war in ihrer Unſchuld feſt
uͤberzeugt, daß Ferdinand, wenn ihr Plan ge¬
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[226/0236] ſeiner Selbſtſucht fuͤr vollkommen frei. Wenn er aber das Maͤdchen nur ein einziges Mal ge¬ kuͤßt habe, gab er ſich das Wort, ſo ſolle ſie un¬ verbruͤchlich die Seinige ſein. Agnes aber hatte einen aͤhnlichen Plan in ihrem Herzchen ausgeſponnen, der indeſſen ſehr einfach war. Sie gedachte, in einem geeigneten guͤnſtigen Augenblicke ohne Weiteres mit ihren Armen den Geliebten zu umſtricken und zum Ge¬ ſtaͤndniß ſeiner Neigung zu zwingen, und falls dies noch nicht huͤlfe, die Aufregung der Feſtfreude benutzend, ihn ſo mit Liebeſchmeicheln zu berau¬ ſchen und foͤrmlich zu verfuͤhren, daß er das Opfer ihrer Unſchuld naͤhme. Dieſer verzweifelte Plan gohr und rumorte in ihrem pochenden Buſen, daß ſie wie eine Traͤumende umherging und nicht einmal bemerkte, wie Ferdinand ſtarr auf ihren jungen Buſen hinſah, als er einen Augenblick beim Probiren der ſchimmernden Feſtgewaͤnder entbloͤßt wurde. Sie war in ihrer Unſchuld feſt uͤberzeugt, daß Ferdinand, wenn ihr Plan ge¬ laͤnge, alsdann fuͤr immer der Ihrige wuͤrde. In nicht ſo bedenklicher Lage fand ſich Erik¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/236>, abgerufen am 26.11.2024.