Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.denn er sah nun ein, daß er nicht länger sich also Beide Wagschalen standen sich vollkommen III. 15
denn er ſah nun ein, daß er nicht laͤnger ſich alſo Beide Wagſchalen ſtanden ſich vollkommen III. 15
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denn er ſah nun ein, daß er nicht laͤnger ſich alſo
verhalten durfte. Ihr verliebtes und ſich hin¬
gebendes Weſen ſchreckte ihn durchaus nicht ab,
weil er deſſen Grund und Natur durchſchaute und
ſie darum nur um ſo reizender fand; dagegen
mußte er nun geſtehen, daß wohl eine artige und
koͤſtliche Frau aus ihr zu machen waͤre und ſchuͤt¬
telte ſich innerlich bei dem Gedanken, ſie je in
eines Andern Haͤnden zu ſehen, waͤhrend der Un¬
ſelige doch immer noch ſich nicht entſchließen
konnte, ſeine Selbſtherrlichkeit mit einem anderen
Weſen fuͤr immer zu theilen und noch fuͤr eine
zweite Haͤlfte zu leben.
Beide Wagſchalen ſtanden ſich vollkommen
gleich und das Zuͤnglein ſeiner Unentſchloſſenheit
ſchwebte ſtill in der Mitte, als das Kuͤnſtlerfeſt
herannahte. Agnes ſollte daran Theil nehmen;
Ferdinand war befliſſen, ihre Geſtalt vollends zu
einem Feenmaͤhrchen zu machen und faßte dabei
den Vorſatz, es nunmehr darauf ankommen zu
laſſen, ob das Feſt eine Entſcheidung herbeifuͤhre
oder nicht; er wollte eine ſolche weder ſuchen noch
ihr widerſtehen; denn noch immer hielt er ſich in
III. 15
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Zitationshilfe: | Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 225. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/235>, abgerufen am 15.08.2024. |