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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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Ich hatte es weder mit dem menschlichen Wort,
noch mit der menschlichen Gestalt zu thun und
fühlte mich nur glücklich und zufrieden, daß ich
auf das bescheidenste Gebiet mit meinen Fuß setzen
konnte, auf den irdischen Grund und Boden,
auf dem sich der Mensch bewegt, und so in der
poetischen Welt wenigstens einen Teppichbewahrer
abgeben durfte. Göthe hatte ja viel und mit
Liebe von landschaftlichen Dingen gesprochen
und durch diese Brücke glaubte ich ohne Unbe¬
scheidenheit mich ein wenig mit seiner Welt ver¬
binden zu können.

Ich wollte sogleich anfangen, nun so recht mit
Liebe und Aufmerksamkeit die Dinge zu behan¬
deln und mich ganz an die Natur zu halten, nichts
Ueberflüssiges oder Müssiges zu machen und mir
bei jedem Striche ganz klar zu sein. Im Geiste
sah ich schon einen reichen Schatz von Arbeiten vor
mir, welche alle hübsch, werth- und gehaltvoll
aussahen, angefüllt mit zarten und starken Strichen,
von denen keiner ohne Bedeutung war. Ich
setzte mich in's Freie, um das erste Blatt dieser
vortrefflichen Sammlung zu beginnen; aber nun

Ich hatte es weder mit dem menſchlichen Wort,
noch mit der menſchlichen Geſtalt zu thun und
fuͤhlte mich nur gluͤcklich und zufrieden, daß ich
auf das beſcheidenſte Gebiet mit meinen Fuß ſetzen
konnte, auf den irdiſchen Grund und Boden,
auf dem ſich der Menſch bewegt, und ſo in der
poetiſchen Welt wenigſtens einen Teppichbewahrer
abgeben durfte. Goͤthe hatte ja viel und mit
Liebe von landſchaftlichen Dingen geſprochen
und durch dieſe Bruͤcke glaubte ich ohne Unbe¬
ſcheidenheit mich ein wenig mit ſeiner Welt ver¬
binden zu koͤnnen.

Ich wollte ſogleich anfangen, nun ſo recht mit
Liebe und Aufmerkſamkeit die Dinge zu behan¬
deln und mich ganz an die Natur zu halten, nichts
Ueberfluͤſſiges oder Muͤſſiges zu machen und mir
bei jedem Striche ganz klar zu ſein. Im Geiſte
ſah ich ſchon einen reichen Schatz von Arbeiten vor
mir, welche alle huͤbſch, werth- und gehaltvoll
ausſahen, angefuͤllt mit zarten und ſtarken Strichen,
von denen keiner ohne Bedeutung war. Ich
ſetzte mich in's Freie, um das erſte Blatt dieſer
vortrefflichen Sammlung zu beginnen; aber nun

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[12/0022] Ich hatte es weder mit dem menſchlichen Wort, noch mit der menſchlichen Geſtalt zu thun und fuͤhlte mich nur gluͤcklich und zufrieden, daß ich auf das beſcheidenſte Gebiet mit meinen Fuß ſetzen konnte, auf den irdiſchen Grund und Boden, auf dem ſich der Menſch bewegt, und ſo in der poetiſchen Welt wenigſtens einen Teppichbewahrer abgeben durfte. Goͤthe hatte ja viel und mit Liebe von landſchaftlichen Dingen geſprochen und durch dieſe Bruͤcke glaubte ich ohne Unbe¬ ſcheidenheit mich ein wenig mit ſeiner Welt ver¬ binden zu koͤnnen. Ich wollte ſogleich anfangen, nun ſo recht mit Liebe und Aufmerkſamkeit die Dinge zu behan¬ deln und mich ganz an die Natur zu halten, nichts Ueberfluͤſſiges oder Muͤſſiges zu machen und mir bei jedem Striche ganz klar zu ſein. Im Geiſte ſah ich ſchon einen reichen Schatz von Arbeiten vor mir, welche alle huͤbſch, werth- und gehaltvoll ausſahen, angefuͤllt mit zarten und ſtarken Strichen, von denen keiner ohne Bedeutung war. Ich ſetzte mich in's Freie, um das erſte Blatt dieſer vortrefflichen Sammlung zu beginnen; aber nun

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/22>, abgerufen am 11.12.2024.