tiges Vergnügen, das ich früher nicht gekannt. Es war die hingebende Liebe an alles Gewor¬ dene und Bestehende, welche das Recht und die Bedeutung jeglichen Dinges ehrt und den Zusam¬ menhang und die Tiefe der Welt empfindet. Diese Liebe steht höher als das künstlerische Her¬ ausstehlen des Einzelnen zu eigennützigem Zwecke, welches zuletzt immer zu Kleinlichkeit und Laune führt; sie steht auch höher, als das Genießen und Absondern nach Stimmungen und romanti¬ schen Liebhabereien, und nur sie allein vermag eine gleichmäßige und dauernde Gluth zu geben. Es kam mir nun Alles und immer neu, schön und merkwürdig vor und ich begann, nicht nur die Form, sondern auch den Inhalt, das Wesen und die Geschichte der Dinge zu sehen und zu lieben. Obgleich ich nicht straks mit einem sol¬ chen fix und fertigen Bewußtsein herumlief, so entsprang das nach und nach Erwachende doch durchaus aus jenen dreißig Tagen, sowie deren Gesammteindrucke noch folgende Ergebnisse ur¬ sprünglich zuzuschreiben sind.
Nur die Ruhe in der Bewegung hält die
tiges Vergnuͤgen, das ich fruͤher nicht gekannt. Es war die hingebende Liebe an alles Gewor¬ dene und Beſtehende, welche das Recht und die Bedeutung jeglichen Dinges ehrt und den Zuſam¬ menhang und die Tiefe der Welt empfindet. Dieſe Liebe ſteht hoͤher als das kuͤnſtleriſche Her¬ ausſtehlen des Einzelnen zu eigennuͤtzigem Zwecke, welches zuletzt immer zu Kleinlichkeit und Laune fuͤhrt; ſie ſteht auch hoͤher, als das Genießen und Abſondern nach Stimmungen und romanti¬ ſchen Liebhabereien, und nur ſie allein vermag eine gleichmaͤßige und dauernde Gluth zu geben. Es kam mir nun Alles und immer neu, ſchoͤn und merkwuͤrdig vor und ich begann, nicht nur die Form, ſondern auch den Inhalt, das Weſen und die Geſchichte der Dinge zu ſehen und zu lieben. Obgleich ich nicht ſtraks mit einem ſol¬ chen fix und fertigen Bewußtſein herumlief, ſo entſprang das nach und nach Erwachende doch durchaus aus jenen dreißig Tagen, ſowie deren Geſammteindrucke noch folgende Ergebniſſe ur¬ ſpruͤnglich zuzuſchreiben ſind.
Nur die Ruhe in der Bewegung haͤlt die
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0018"n="8"/>
tiges Vergnuͤgen, das ich fruͤher nicht gekannt.<lb/>
Es war die hingebende Liebe an alles Gewor¬<lb/>
dene und Beſtehende, welche das Recht und die<lb/>
Bedeutung jeglichen Dinges ehrt und den Zuſam¬<lb/>
menhang und die Tiefe der Welt empfindet.<lb/>
Dieſe Liebe ſteht hoͤher als das kuͤnſtleriſche Her¬<lb/>
ausſtehlen des Einzelnen zu eigennuͤtzigem Zwecke,<lb/>
welches zuletzt immer zu Kleinlichkeit und Laune<lb/>
fuͤhrt; ſie ſteht auch hoͤher, als das Genießen<lb/>
und Abſondern nach Stimmungen und romanti¬<lb/>ſchen Liebhabereien, und nur ſie allein vermag<lb/>
eine gleichmaͤßige und dauernde Gluth zu geben.<lb/>
Es kam mir nun Alles und immer neu, ſchoͤn<lb/>
und merkwuͤrdig vor und ich begann, nicht nur<lb/>
die Form, ſondern auch den Inhalt, das Weſen<lb/>
und die Geſchichte der Dinge zu ſehen und zu<lb/>
lieben. Obgleich ich nicht ſtraks mit einem ſol¬<lb/>
chen fix und fertigen Bewußtſein herumlief, ſo<lb/>
entſprang das nach und nach Erwachende doch<lb/>
durchaus aus jenen dreißig Tagen, ſowie deren<lb/>
Geſammteindrucke noch folgende Ergebniſſe ur¬<lb/>ſpruͤnglich zuzuſchreiben ſind.</p><lb/><p>Nur die Ruhe in der Bewegung haͤlt die<lb/></p></div></body></text></TEI>
[8/0018]
tiges Vergnuͤgen, das ich fruͤher nicht gekannt.
Es war die hingebende Liebe an alles Gewor¬
dene und Beſtehende, welche das Recht und die
Bedeutung jeglichen Dinges ehrt und den Zuſam¬
menhang und die Tiefe der Welt empfindet.
Dieſe Liebe ſteht hoͤher als das kuͤnſtleriſche Her¬
ausſtehlen des Einzelnen zu eigennuͤtzigem Zwecke,
welches zuletzt immer zu Kleinlichkeit und Laune
fuͤhrt; ſie ſteht auch hoͤher, als das Genießen
und Abſondern nach Stimmungen und romanti¬
ſchen Liebhabereien, und nur ſie allein vermag
eine gleichmaͤßige und dauernde Gluth zu geben.
Es kam mir nun Alles und immer neu, ſchoͤn
und merkwuͤrdig vor und ich begann, nicht nur
die Form, ſondern auch den Inhalt, das Weſen
und die Geſchichte der Dinge zu ſehen und zu
lieben. Obgleich ich nicht ſtraks mit einem ſol¬
chen fix und fertigen Bewußtſein herumlief, ſo
entſprang das nach und nach Erwachende doch
durchaus aus jenen dreißig Tagen, ſowie deren
Geſammteindrucke noch folgende Ergebniſſe ur¬
ſpruͤnglich zuzuſchreiben ſind.
Nur die Ruhe in der Bewegung haͤlt die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/18>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.