mit diesem Ein Mal zu Ende, als der Trödler hereintrat und sich erkundigte, ob ich die Werke behalten wolle, da sich sonst ein anderweitiger Käufer gezeigt habe. Unter diesen Umständen mußte der Schatz baar bezahlt werden, was weit über meine Kräfte ging; die Mutter sah wohl, daß er mir etwas Wichtiges war, aber mein drei¬ ßigtägiges Liegen und Lesen machte sie unent¬ schlossen und darüber ergriff der Mann wieder seine Schnur, band die Bücher zusammen, schwang den Pack auf den Rücken und em¬ pfahl sich.
Es war, als ob eine Schaar glänzender und singender Geister die Stube verließen, so daß diese auf einmal still und leer schien; ich sprang auf, sah mich um und würde mich wie in einem Grabe gedünkt haben, wenn nicht die Stricknadeln meiner Mutter ein freundliches Geräusch verur¬ sacht hätten. Ich machte mich in's Freie; die alte Bergstadt, Felsen, Wald, Fluß und See und das formenreiche Gebirge lagen im milden Schein der Märzsonne, und indem meine Blicke Alles umfaßten, empfand ich ein reines und nachhal¬
mit dieſem Ein Mal zu Ende, als der Troͤdler hereintrat und ſich erkundigte, ob ich die Werke behalten wolle, da ſich ſonſt ein anderweitiger Kaͤufer gezeigt habe. Unter dieſen Umſtaͤnden mußte der Schatz baar bezahlt werden, was weit uͤber meine Kraͤfte ging; die Mutter ſah wohl, daß er mir etwas Wichtiges war, aber mein drei¬ ßigtaͤgiges Liegen und Leſen machte ſie unent¬ ſchloſſen und daruͤber ergriff der Mann wieder ſeine Schnur, band die Buͤcher zuſammen, ſchwang den Pack auf den Ruͤcken und em¬ pfahl ſich.
Es war, als ob eine Schaar glaͤnzender und ſingender Geiſter die Stube verließen, ſo daß dieſe auf einmal ſtill und leer ſchien; ich ſprang auf, ſah mich um und wuͤrde mich wie in einem Grabe geduͤnkt haben, wenn nicht die Stricknadeln meiner Mutter ein freundliches Geraͤuſch verur¬ ſacht haͤtten. Ich machte mich in's Freie; die alte Bergſtadt, Felſen, Wald, Fluß und See und das formenreiche Gebirge lagen im milden Schein der Maͤrzſonne, und indem meine Blicke Alles umfaßten, empfand ich ein reines und nachhal¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0017"n="7"/>
mit dieſem Ein Mal zu Ende, als der Troͤdler<lb/>
hereintrat und ſich erkundigte, ob ich die Werke<lb/>
behalten wolle, da ſich ſonſt ein anderweitiger<lb/>
Kaͤufer gezeigt habe. Unter dieſen Umſtaͤnden<lb/>
mußte der Schatz baar bezahlt werden, was weit<lb/>
uͤber meine Kraͤfte ging; die Mutter ſah wohl,<lb/>
daß er mir etwas Wichtiges war, aber mein drei¬<lb/>
ßigtaͤgiges Liegen und Leſen machte ſie unent¬<lb/>ſchloſſen und daruͤber ergriff der Mann wieder<lb/>ſeine Schnur, band die Buͤcher zuſammen,<lb/>ſchwang den Pack auf den Ruͤcken und em¬<lb/>
pfahl ſich.</p><lb/><p>Es war, als ob eine Schaar glaͤnzender und<lb/>ſingender Geiſter die Stube verließen, ſo daß<lb/>
dieſe auf einmal ſtill und leer ſchien; ich ſprang<lb/>
auf, ſah mich um und wuͤrde mich wie in einem<lb/>
Grabe geduͤnkt haben, wenn nicht die Stricknadeln<lb/>
meiner Mutter ein freundliches Geraͤuſch verur¬<lb/>ſacht haͤtten. Ich machte mich in's Freie; die<lb/>
alte Bergſtadt, Felſen, Wald, Fluß und See und<lb/>
das formenreiche Gebirge lagen im milden Schein<lb/>
der Maͤrzſonne, und indem meine Blicke Alles<lb/>
umfaßten, empfand ich ein reines und nachhal¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[7/0017]
mit dieſem Ein Mal zu Ende, als der Troͤdler
hereintrat und ſich erkundigte, ob ich die Werke
behalten wolle, da ſich ſonſt ein anderweitiger
Kaͤufer gezeigt habe. Unter dieſen Umſtaͤnden
mußte der Schatz baar bezahlt werden, was weit
uͤber meine Kraͤfte ging; die Mutter ſah wohl,
daß er mir etwas Wichtiges war, aber mein drei¬
ßigtaͤgiges Liegen und Leſen machte ſie unent¬
ſchloſſen und daruͤber ergriff der Mann wieder
ſeine Schnur, band die Buͤcher zuſammen,
ſchwang den Pack auf den Ruͤcken und em¬
pfahl ſich.
Es war, als ob eine Schaar glaͤnzender und
ſingender Geiſter die Stube verließen, ſo daß
dieſe auf einmal ſtill und leer ſchien; ich ſprang
auf, ſah mich um und wuͤrde mich wie in einem
Grabe geduͤnkt haben, wenn nicht die Stricknadeln
meiner Mutter ein freundliches Geraͤuſch verur¬
ſacht haͤtten. Ich machte mich in's Freie; die
alte Bergſtadt, Felſen, Wald, Fluß und See und
das formenreiche Gebirge lagen im milden Schein
der Maͤrzſonne, und indem meine Blicke Alles
umfaßten, empfand ich ein reines und nachhal¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/17>, abgerufen am 30.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.