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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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gewölbt. Der Schreiner hobelte mit wenigen Zü¬
gen eine schmale zierliche Hohlkehle um die Kan¬
ten, und ich sah verwundert, wie die zarten Li¬
nien sich spielend dem weichen Holze eindrückten;
dann zog er zwei schöne Stücke Bimsstein hervor
und rieb sie aneinander, indem er sie über den
Sarg hielt und das weiße Pulver über denselben
verbreitete; ich mußte lachen, als er die Stücke
gerade so gewandt und anmuthig handhabte und
abklopfte, wie ich bei meiner Mutter gesehen,
wenn sie zwei Zuckerschollen über einem Kuchen
rieb. Als er aber den Sarg vollends mit dem
Steine abschliff, wurde derselbe so weiß, wie
Schnee, und kaum der leiseste röthliche Hauch des
Tannenholzes schimmerte noch durch, wie bei einer
Apfelblüthe. Er sah so weit schöner und edler
aus, als wenn er gemalt, vergoldet oder gar mit
Erz beschlagen gewesen wäre. Am Haupte hatte
der Schreiner der Sitte gemäß eine Oeffnung
mit einem Schieber angebracht, durch welche man
das Gesicht sehen konnte, bis der Sarg versenkt
wurde; es galt nun noch eine Glasscheibe einzu¬
setzen, welche man vergessen, und ich fuhr nach

gewoͤlbt. Der Schreiner hobelte mit wenigen Zuͤ¬
gen eine ſchmale zierliche Hohlkehle um die Kan¬
ten, und ich ſah verwundert, wie die zarten Li¬
nien ſich ſpielend dem weichen Holze eindruͤckten;
dann zog er zwei ſchoͤne Stuͤcke Bimsſtein hervor
und rieb ſie aneinander, indem er ſie uͤber den
Sarg hielt und das weiße Pulver uͤber denſelben
verbreitete; ich mußte lachen, als er die Stuͤcke
gerade ſo gewandt und anmuthig handhabte und
abklopfte, wie ich bei meiner Mutter geſehen,
wenn ſie zwei Zuckerſchollen uͤber einem Kuchen
rieb. Als er aber den Sarg vollends mit dem
Steine abſchliff, wurde derſelbe ſo weiß, wie
Schnee, und kaum der leiſeſte roͤthliche Hauch des
Tannenholzes ſchimmerte noch durch, wie bei einer
Apfelbluͤthe. Er ſah ſo weit ſchoͤner und edler
aus, als wenn er gemalt, vergoldet oder gar mit
Erz beſchlagen geweſen waͤre. Am Haupte hatte
der Schreiner der Sitte gemaͤß eine Oeffnung
mit einem Schieber angebracht, durch welche man
das Geſicht ſehen konnte, bis der Sarg verſenkt
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[151/0161] gewoͤlbt. Der Schreiner hobelte mit wenigen Zuͤ¬ gen eine ſchmale zierliche Hohlkehle um die Kan¬ ten, und ich ſah verwundert, wie die zarten Li¬ nien ſich ſpielend dem weichen Holze eindruͤckten; dann zog er zwei ſchoͤne Stuͤcke Bimsſtein hervor und rieb ſie aneinander, indem er ſie uͤber den Sarg hielt und das weiße Pulver uͤber denſelben verbreitete; ich mußte lachen, als er die Stuͤcke gerade ſo gewandt und anmuthig handhabte und abklopfte, wie ich bei meiner Mutter geſehen, wenn ſie zwei Zuckerſchollen uͤber einem Kuchen rieb. Als er aber den Sarg vollends mit dem Steine abſchliff, wurde derſelbe ſo weiß, wie Schnee, und kaum der leiſeſte roͤthliche Hauch des Tannenholzes ſchimmerte noch durch, wie bei einer Apfelbluͤthe. Er ſah ſo weit ſchoͤner und edler aus, als wenn er gemalt, vergoldet oder gar mit Erz beſchlagen geweſen waͤre. Am Haupte hatte der Schreiner der Sitte gemaͤß eine Oeffnung mit einem Schieber angebracht, durch welche man das Geſicht ſehen konnte, bis der Sarg verſenkt wurde; es galt nun noch eine Glasſcheibe einzu¬ ſetzen, welche man vergeſſen, und ich fuhr nach

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/161>, abgerufen am 24.11.2024.