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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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seinen Rath und richtete mich manchmal auch
vorübergehend bei ihm ein. Weitere vier Monate
vergingen so, während welcher er, durch die Noth
gezwungen, aber leicht hin und beiläufig mich
anfragte, ob meine Mutter ihm mit einem kleinen
Darlehen auf kurze Zeit aushelfen könne? Er
bezeichnete ungefähr eine gleiche Summe, wie die
schon empfangene, und ich brachte ihm dieselbe
noch am gleichen Tage. Im Frühjahr endlich
gelang es ihm, aber erst in Folge eines mühseli¬
gen
Briefwechsels, wieder einmal eine Arbeit zu
verkaufen, wodurch er zum ersten Mal seit lan¬
ger Zeit eine Summe in die Hände bekam. Mit
dieser beschloß er, wieder nach Paris zu gehen,
da ihm hier kein Heil blühen wollte und ihn
sonst auch der Wahn forttrieb, durch Ortsverän¬
derung ein besseres Loos erzwingen zu können.
Denn trotz allem scharfsinnigen Instincte, den ein
Irrsinniger und Unglücklicher hat, ahnte er von
ferne nicht, daß sein wirkliches Geschick viel schlim¬
mer, als sein eingebildetes Leiden, und daß die
Welt übereingekommen war, seine armen schönen
Zeichnungen und Bilder entgelten zu lassen,

ſeinen Rath und richtete mich manchmal auch
voruͤbergehend bei ihm ein. Weitere vier Monate
vergingen ſo, waͤhrend welcher er, durch die Noth
gezwungen, aber leicht hin und beilaͤufig mich
anfragte, ob meine Mutter ihm mit einem kleinen
Darlehen auf kurze Zeit aushelfen koͤnne? Er
bezeichnete ungefaͤhr eine gleiche Summe, wie die
ſchon empfangene, und ich brachte ihm dieſelbe
noch am gleichen Tage. Im Fruͤhjahr endlich
gelang es ihm, aber erſt in Folge eines muͤhſeli¬
gen
Briefwechſels, wieder einmal eine Arbeit zu
verkaufen, wodurch er zum erſten Mal ſeit lan¬
ger Zeit eine Summe in die Haͤnde bekam. Mit
dieſer beſchloß er, wieder nach Paris zu gehen,
da ihm hier kein Heil bluͤhen wollte und ihn
ſonſt auch der Wahn forttrieb, durch Ortsveraͤn¬
derung ein beſſeres Loos erzwingen zu koͤnnen.
Denn trotz allem ſcharfſinnigen Inſtincte, den ein
Irrſinniger und Ungluͤcklicher hat, ahnte er von
ferne nicht, daß ſein wirkliches Geſchick viel ſchlim¬
mer, als ſein eingebildetes Leiden, und daß die
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Zeichnungen und Bilder entgelten zu laſſen,

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[98/0108] ſeinen Rath und richtete mich manchmal auch voruͤbergehend bei ihm ein. Weitere vier Monate vergingen ſo, waͤhrend welcher er, durch die Noth gezwungen, aber leicht hin und beilaͤufig mich anfragte, ob meine Mutter ihm mit einem kleinen Darlehen auf kurze Zeit aushelfen koͤnne? Er bezeichnete ungefaͤhr eine gleiche Summe, wie die ſchon empfangene, und ich brachte ihm dieſelbe noch am gleichen Tage. Im Fruͤhjahr endlich gelang es ihm, aber erſt in Folge eines muͤhſeli¬ gen Briefwechſels, wieder einmal eine Arbeit zu verkaufen, wodurch er zum erſten Mal ſeit lan¬ ger Zeit eine Summe in die Haͤnde bekam. Mit dieſer beſchloß er, wieder nach Paris zu gehen, da ihm hier kein Heil bluͤhen wollte und ihn ſonſt auch der Wahn forttrieb, durch Ortsveraͤn¬ derung ein beſſeres Loos erzwingen zu koͤnnen. Denn trotz allem ſcharfſinnigen Inſtincte, den ein Irrſinniger und Ungluͤcklicher hat, ahnte er von ferne nicht, daß ſein wirkliches Geſchick viel ſchlim¬ mer, als ſein eingebildetes Leiden, und daß die Welt uͤbereingekommen war, ſeine armen ſchoͤnen Zeichnungen und Bilder entgelten zu laſſen,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/108>, abgerufen am 23.11.2024.