net; vielmehr verzieh man ihm nicht, wenn er einmal verrückt sei, daß er doch mit so viel schlauem Anstand und wahrer Menschenkenntniß seine wohlhabenden Bekannten wiederholt habe anführen können. Er fühlte dies recht gut mit seiner vernünftigeren Hälfte, welche durch die Noth immer zur Noth wach gehalten wurde; denn während, unserer seltsamen Gespräche über die Er¬ fahrungen sagte er mir einst: "Wenn Sie einst in Verlegenheit gerathen und Geld leihen müssen, so thun Sie dies ja nicht auf eine anständige und geschickte Weise, wie es ernsten Leuten ge¬ ziemt, wenn Sie nicht ganz sicher sind, es auf den bestimmten Tag zurückzugeben, sonst wird man Sie für einen abgefeimten Betrüger halten! vielmehr thun Sie es ohne alle Scham und auf liederliche, närrische Weise, damit die Leute sagen können: Es ist ein Lump, aber ein guter Teufel, man muß ihm helfen!"
Ueberhaupt erschien er sonst in allen Dingen als ein gewandter und verständiger Mann und wußte seinen Irrsinn lange zu verbergen. Auch hatte er nach Art der Irren doch immer ein
net; vielmehr verzieh man ihm nicht, wenn er einmal verruͤckt ſei, daß er doch mit ſo viel ſchlauem Anſtand und wahrer Menſchenkenntniß ſeine wohlhabenden Bekannten wiederholt habe anfuͤhren koͤnnen. Er fuͤhlte dies recht gut mit ſeiner vernuͤnftigeren Haͤlfte, welche durch die Noth immer zur Noth wach gehalten wurde; denn waͤhrend, unſerer ſeltſamen Geſpraͤche uͤber die Er¬ fahrungen ſagte er mir einſt: »Wenn Sie einſt in Verlegenheit gerathen und Geld leihen muͤſſen, ſo thun Sie dies ja nicht auf eine anſtaͤndige und geſchickte Weiſe, wie es ernſten Leuten ge¬ ziemt, wenn Sie nicht ganz ſicher ſind, es auf den beſtimmten Tag zuruͤckzugeben, ſonſt wird man Sie fuͤr einen abgefeimten Betruͤger halten! vielmehr thun Sie es ohne alle Scham und auf liederliche, naͤrriſche Weiſe, damit die Leute ſagen koͤnnen: Es iſt ein Lump, aber ein guter Teufel, man muß ihm helfen!«
Ueberhaupt erſchien er ſonſt in allen Dingen als ein gewandter und verſtaͤndiger Mann und wußte ſeinen Irrſinn lange zu verbergen. Auch hatte er nach Art der Irren doch immer ein
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0105"n="95"/>
net; vielmehr verzieh man ihm nicht, wenn er<lb/>
einmal verruͤckt ſei, daß er doch mit ſo viel<lb/>ſchlauem Anſtand und wahrer Menſchenkenntniß<lb/>ſeine wohlhabenden Bekannten wiederholt habe<lb/>
anfuͤhren koͤnnen. Er fuͤhlte dies recht gut mit<lb/>ſeiner vernuͤnftigeren Haͤlfte, welche durch die<lb/>
Noth immer zur Noth wach gehalten wurde; denn<lb/>
waͤhrend, unſerer ſeltſamen Geſpraͤche uͤber die Er¬<lb/>
fahrungen ſagte er mir einſt: »Wenn Sie einſt<lb/>
in Verlegenheit gerathen und Geld leihen muͤſſen,<lb/>ſo thun Sie dies ja nicht auf eine anſtaͤndige<lb/>
und geſchickte Weiſe, wie es ernſten Leuten ge¬<lb/>
ziemt, wenn Sie nicht ganz ſicher ſind, es auf<lb/>
den beſtimmten Tag zuruͤckzugeben, ſonſt wird<lb/>
man Sie fuͤr einen abgefeimten Betruͤger halten!<lb/>
vielmehr thun Sie es ohne alle Scham und auf<lb/>
liederliche, naͤrriſche Weiſe, damit die Leute ſagen<lb/>
koͤnnen: Es iſt ein Lump, aber ein guter Teufel,<lb/>
man muß ihm helfen!«</p><lb/><p>Ueberhaupt erſchien er ſonſt in allen Dingen<lb/>
als ein gewandter und verſtaͤndiger Mann und<lb/>
wußte ſeinen Irrſinn lange zu verbergen. Auch<lb/>
hatte er nach Art der Irren doch immer ein<lb/></p></div></body></text></TEI>
[95/0105]
net; vielmehr verzieh man ihm nicht, wenn er
einmal verruͤckt ſei, daß er doch mit ſo viel
ſchlauem Anſtand und wahrer Menſchenkenntniß
ſeine wohlhabenden Bekannten wiederholt habe
anfuͤhren koͤnnen. Er fuͤhlte dies recht gut mit
ſeiner vernuͤnftigeren Haͤlfte, welche durch die
Noth immer zur Noth wach gehalten wurde; denn
waͤhrend, unſerer ſeltſamen Geſpraͤche uͤber die Er¬
fahrungen ſagte er mir einſt: »Wenn Sie einſt
in Verlegenheit gerathen und Geld leihen muͤſſen,
ſo thun Sie dies ja nicht auf eine anſtaͤndige
und geſchickte Weiſe, wie es ernſten Leuten ge¬
ziemt, wenn Sie nicht ganz ſicher ſind, es auf
den beſtimmten Tag zuruͤckzugeben, ſonſt wird
man Sie fuͤr einen abgefeimten Betruͤger halten!
vielmehr thun Sie es ohne alle Scham und auf
liederliche, naͤrriſche Weiſe, damit die Leute ſagen
koͤnnen: Es iſt ein Lump, aber ein guter Teufel,
man muß ihm helfen!«
Ueberhaupt erſchien er ſonſt in allen Dingen
als ein gewandter und verſtaͤndiger Mann und
wußte ſeinen Irrſinn lange zu verbergen. Auch
hatte er nach Art der Irren doch immer ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/105>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.