Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

dazumal so schon erzürnt über einige gereiste
Gelbschnäbel, welche sich eine Zeit lang darin ge¬
fielen, in dem läppischen Style müßiger Gesandt¬
schaftsbedienter Berichte über unsere Heimath in
fremde Blätter zu senden und sich dabei das An¬
sehen zu geben, als ob sie durch ihre Diplomatie dem
Lande oder ihrer Partei Wunder was genützt
hätten. Als Römer sich ein Stückchen rothes
Band an einem Frack befestigte und diesen wie
von ungefähr auf einen Stuhl legte, schien er
mir die zusammengezogene Erscheinung jenes ver¬
werflichen Unsinnes zu sein, und ich ging mit
großem Zorne weg und beklagte mich zu Hause
über den Unglücklichen. Es waren gerade Leute
da, welche mehr von ihm wußten, und ich er¬
fuhr, daß es längst von ihm bekannt sei, daß er
sich bald für einen Sohn Napoleon's, bald für
den Sprößling dieser oder jener älteren Dynastie
halte. Von seinen einzelnen und ausführlichen
Narrheiten wußten nur wenig Leute, hingegen
hielt man jene fixe Idee für eine absichtliche Ver¬
stellung, um mittelst derselben sich ungehörige
Vortheile zu verschaffen, Andere um's Geld zu

dazumal ſo ſchon erzuͤrnt uͤber einige gereiſte
Gelbſchnaͤbel, welche ſich eine Zeit lang darin ge¬
fielen, in dem laͤppiſchen Style muͤßiger Geſandt¬
ſchaftsbedienter Berichte uͤber unſere Heimath in
fremde Blaͤtter zu ſenden und ſich dabei das An¬
ſehen zu geben, als ob ſie durch ihre Diplomatie dem
Lande oder ihrer Partei Wunder was genuͤtzt
haͤtten. Als Roͤmer ſich ein Stuͤckchen rothes
Band an einem Frack befeſtigte und dieſen wie
von ungefaͤhr auf einen Stuhl legte, ſchien er
mir die zuſammengezogene Erſcheinung jenes ver¬
werflichen Unſinnes zu ſein, und ich ging mit
großem Zorne weg und beklagte mich zu Hauſe
uͤber den Ungluͤcklichen. Es waren gerade Leute
da, welche mehr von ihm wußten, und ich er¬
fuhr, daß es laͤngſt von ihm bekannt ſei, daß er
ſich bald fuͤr einen Sohn Napoleon's, bald fuͤr
den Sproͤßling dieſer oder jener aͤlteren Dynaſtie
halte. Von ſeinen einzelnen und ausfuͤhrlichen
Narrheiten wußten nur wenig Leute, hingegen
hielt man jene fixe Idee fuͤr eine abſichtliche Ver¬
ſtellung, um mittelſt derſelben ſich ungehoͤrige
Vortheile zu verſchaffen, Andere um's Geld zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0100" n="90"/>
dazumal &#x017F;o &#x017F;chon erzu&#x0364;rnt u&#x0364;ber einige gerei&#x017F;te<lb/>
Gelb&#x017F;chna&#x0364;bel, welche &#x017F;ich eine Zeit lang darin ge¬<lb/>
fielen, in dem la&#x0364;ppi&#x017F;chen Style mu&#x0364;ßiger Ge&#x017F;andt¬<lb/>
&#x017F;chaftsbedienter Berichte u&#x0364;ber un&#x017F;ere Heimath in<lb/>
fremde Bla&#x0364;tter zu &#x017F;enden und &#x017F;ich dabei das An¬<lb/>
&#x017F;ehen zu geben, als ob &#x017F;ie durch ihre Diplomatie dem<lb/>
Lande oder ihrer Partei Wunder was genu&#x0364;tzt<lb/>
ha&#x0364;tten. Als Ro&#x0364;mer &#x017F;ich ein Stu&#x0364;ckchen rothes<lb/>
Band an einem Frack befe&#x017F;tigte und die&#x017F;en wie<lb/>
von ungefa&#x0364;hr auf einen Stuhl legte, &#x017F;chien er<lb/>
mir die zu&#x017F;ammengezogene Er&#x017F;cheinung jenes ver¬<lb/>
werflichen Un&#x017F;innes zu &#x017F;ein, und ich ging mit<lb/>
großem Zorne weg und beklagte mich zu Hau&#x017F;e<lb/>
u&#x0364;ber den Unglu&#x0364;cklichen. Es waren gerade Leute<lb/>
da, welche mehr von ihm wußten, und ich er¬<lb/>
fuhr, daß es la&#x0364;ng&#x017F;t von ihm bekannt &#x017F;ei, daß er<lb/>
&#x017F;ich bald fu&#x0364;r einen Sohn Napoleon's, bald fu&#x0364;r<lb/>
den Spro&#x0364;ßling die&#x017F;er oder jener a&#x0364;lteren Dyna&#x017F;tie<lb/>
halte. Von &#x017F;einen einzelnen und ausfu&#x0364;hrlichen<lb/>
Narrheiten wußten nur wenig Leute, hingegen<lb/>
hielt man jene fixe Idee fu&#x0364;r eine ab&#x017F;ichtliche Ver¬<lb/>
&#x017F;tellung, um mittel&#x017F;t der&#x017F;elben &#x017F;ich ungeho&#x0364;rige<lb/>
Vortheile zu ver&#x017F;chaffen, Andere um's Geld zu<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0100] dazumal ſo ſchon erzuͤrnt uͤber einige gereiſte Gelbſchnaͤbel, welche ſich eine Zeit lang darin ge¬ fielen, in dem laͤppiſchen Style muͤßiger Geſandt¬ ſchaftsbedienter Berichte uͤber unſere Heimath in fremde Blaͤtter zu ſenden und ſich dabei das An¬ ſehen zu geben, als ob ſie durch ihre Diplomatie dem Lande oder ihrer Partei Wunder was genuͤtzt haͤtten. Als Roͤmer ſich ein Stuͤckchen rothes Band an einem Frack befeſtigte und dieſen wie von ungefaͤhr auf einen Stuhl legte, ſchien er mir die zuſammengezogene Erſcheinung jenes ver¬ werflichen Unſinnes zu ſein, und ich ging mit großem Zorne weg und beklagte mich zu Hauſe uͤber den Ungluͤcklichen. Es waren gerade Leute da, welche mehr von ihm wußten, und ich er¬ fuhr, daß es laͤngſt von ihm bekannt ſei, daß er ſich bald fuͤr einen Sohn Napoleon's, bald fuͤr den Sproͤßling dieſer oder jener aͤlteren Dynaſtie halte. Von ſeinen einzelnen und ausfuͤhrlichen Narrheiten wußten nur wenig Leute, hingegen hielt man jene fixe Idee fuͤr eine abſichtliche Ver¬ ſtellung, um mittelſt derſelben ſich ungehoͤrige Vortheile zu verſchaffen, Andere um's Geld zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/100
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/100>, abgerufen am 25.11.2024.