schwere Handarbeit in's Leben führen, als zwei mal zwei vier sind! Zudem ist der Junge schon ein Bischen schwächlich und verwöhnt durch Euere Weiberwirthschaft; laßt ihn ein Maurer oder Steinmetz werden, oder besser, gebt ihn mir, so wird er die gehörige Demuth und damit den rechten Stolz eines Mannes aus dem Volke ge¬ winnen, und bis er im Stande ist, einen guten Schuh fix und fertig zu arbeiten, soll er gelernt haben, was ein Bürger ist, wenn er anders sei¬ nem Vater nachfolgt, den wir sehr vermissen, wir andere Handwerksleute! Besinnt Euch, Frau Lee! von der Pike auf dienen, das macht den Mann! Waren die neuen Schuhe doch nicht zu eng, die ich letzthin schickte?"
Die Frau Lee ging aber nicht sonderlich er¬ baut fort und murmelte vor sich her: "Schlag du nur deine Zwecke ein, bei mir erreichst du deinen Zweck nicht, Herr Schuster, ungehobelter Mann! Bleib nur bei deinem Leisten und warte, bis mein Kind kommt, dir Gesellschaft zu leisten! Draht ist nicht Rath! Wenn du Gott fürchten würdest, so brauchtest du nicht vor dem Gerber
ſchwere Handarbeit in's Leben fuͤhren, als zwei mal zwei vier ſind! Zudem iſt der Junge ſchon ein Biſchen ſchwaͤchlich und verwoͤhnt durch Euere Weiberwirthſchaft; laßt ihn ein Maurer oder Steinmetz werden, oder beſſer, gebt ihn mir, ſo wird er die gehoͤrige Demuth und damit den rechten Stolz eines Mannes aus dem Volke ge¬ winnen, und bis er im Stande iſt, einen guten Schuh fix und fertig zu arbeiten, ſoll er gelernt haben, was ein Buͤrger iſt, wenn er anders ſei¬ nem Vater nachfolgt, den wir ſehr vermiſſen, wir andere Handwerksleute! Beſinnt Euch, Frau Lee! von der Pike auf dienen, das macht den Mann! Waren die neuen Schuhe doch nicht zu eng, die ich letzthin ſchickte?«
Die Frau Lee ging aber nicht ſonderlich er¬ baut fort und murmelte vor ſich her: »Schlag du nur deine Zwecke ein, bei mir erreichſt du deinen Zweck nicht, Herr Schuſter, ungehobelter Mann! Bleib nur bei deinem Leiſten und warte, bis mein Kind kommt, dir Geſellſchaft zu leiſten! Draht iſt nicht Rath! Wenn du Gott fuͤrchten wuͤrdeſt, ſo brauchteſt du nicht vor dem Gerber
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0098"n="88"/>ſchwere Handarbeit in's Leben fuͤhren, als zwei<lb/>
mal zwei vier ſind! Zudem iſt der Junge ſchon<lb/>
ein Biſchen ſchwaͤchlich und verwoͤhnt durch Euere<lb/>
Weiberwirthſchaft; laßt ihn ein Maurer oder<lb/>
Steinmetz werden, oder beſſer, gebt ihn mir, ſo<lb/>
wird er die gehoͤrige Demuth und damit den<lb/>
rechten Stolz eines Mannes aus dem Volke ge¬<lb/>
winnen, und bis er im Stande iſt, einen guten<lb/>
Schuh fix und fertig zu arbeiten, ſoll er gelernt<lb/>
haben, was ein Buͤrger iſt, wenn er anders ſei¬<lb/>
nem Vater nachfolgt, den wir ſehr vermiſſen,<lb/>
wir andere Handwerksleute! Beſinnt Euch, Frau<lb/>
Lee! von der Pike auf dienen, das macht den<lb/>
Mann! Waren die neuen Schuhe doch nicht zu<lb/>
eng, die ich letzthin ſchickte?«</p><lb/><p>Die Frau Lee ging aber nicht ſonderlich er¬<lb/>
baut fort und murmelte vor ſich her: »Schlag<lb/>
du nur deine Zwecke ein, bei mir erreichſt du<lb/>
deinen Zweck nicht, Herr Schuſter, ungehobelter<lb/>
Mann! Bleib nur bei deinem Leiſten und warte,<lb/>
bis mein Kind kommt, dir Geſellſchaft zu leiſten!<lb/>
Draht iſt nicht Rath! Wenn du Gott fuͤrchten<lb/>
wuͤrdeſt, ſo brauchteſt du nicht vor dem Gerber<lb/></p></div></body></text></TEI>
[88/0098]
ſchwere Handarbeit in's Leben fuͤhren, als zwei
mal zwei vier ſind! Zudem iſt der Junge ſchon
ein Biſchen ſchwaͤchlich und verwoͤhnt durch Euere
Weiberwirthſchaft; laßt ihn ein Maurer oder
Steinmetz werden, oder beſſer, gebt ihn mir, ſo
wird er die gehoͤrige Demuth und damit den
rechten Stolz eines Mannes aus dem Volke ge¬
winnen, und bis er im Stande iſt, einen guten
Schuh fix und fertig zu arbeiten, ſoll er gelernt
haben, was ein Buͤrger iſt, wenn er anders ſei¬
nem Vater nachfolgt, den wir ſehr vermiſſen,
wir andere Handwerksleute! Beſinnt Euch, Frau
Lee! von der Pike auf dienen, das macht den
Mann! Waren die neuen Schuhe doch nicht zu
eng, die ich letzthin ſchickte?«
Die Frau Lee ging aber nicht ſonderlich er¬
baut fort und murmelte vor ſich her: »Schlag
du nur deine Zwecke ein, bei mir erreichſt du
deinen Zweck nicht, Herr Schuſter, ungehobelter
Mann! Bleib nur bei deinem Leiſten und warte,
bis mein Kind kommt, dir Geſellſchaft zu leiſten!
Draht iſt nicht Rath! Wenn du Gott fuͤrchten
wuͤrdeſt, ſo brauchteſt du nicht vor dem Gerber
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/98>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.