hätte wie ein vollendeter Jahrmarktsbursche aus¬ gesehen, wenn nicht die Unschuld und Schüchtern¬ heit des Alters den unbescheidenen Aufzug gemil¬ dert hätten. Menschen, welche etwas Besseres und Tieferes ahnen und wünschen, werden sich, wie ich glaube, mehr und mehr aller lächerlichen Aeußerlichkeiten enthalten, je mehr sie dem ge¬ ahnten Inhalte durch Erfahrung und That nahe treten; je mehr sie aber noch davon entfernt sind, desto ängstlicher klammern sie sich an solche Schnörkeleien. Allein gerade diese Aeußerlichkeit verhindert oft das Innere, sich rasch zu ent¬ wickeln, wenn nicht ein Mann und Vater vor¬ handen ist, welcher sie mit gesundem Spotte be¬ schneidet und unterdrückt, indessen er dem auf¬ strebenden Sohne das Wahre mit fester Hand vorzeichnet.
Man konnte auf zwei Wegen zu der Woh¬ nung des alten Schulmeisters gelangen; entweder mußten wir einen lang gedehnten Berg hinter dem Dorfe ersteigen und längs auf demselben fortgehend, endlich jenseits niedersteigen, wo wie¬ der ein Thal lag, ähnlich dem unserigen, nur
haͤtte wie ein vollendeter Jahrmarktsburſche aus¬ geſehen, wenn nicht die Unſchuld und Schuͤchtern¬ heit des Alters den unbeſcheidenen Aufzug gemil¬ dert haͤtten. Menſchen, welche etwas Beſſeres und Tieferes ahnen und wuͤnſchen, werden ſich, wie ich glaube, mehr und mehr aller laͤcherlichen Aeußerlichkeiten enthalten, je mehr ſie dem ge¬ ahnten Inhalte durch Erfahrung und That nahe treten; je mehr ſie aber noch davon entfernt ſind, deſto aͤngſtlicher klammern ſie ſich an ſolche Schnoͤrkeleien. Allein gerade dieſe Aeußerlichkeit verhindert oft das Innere, ſich raſch zu ent¬ wickeln, wenn nicht ein Mann und Vater vor¬ handen iſt, welcher ſie mit geſundem Spotte be¬ ſchneidet und unterdruͤckt, indeſſen er dem auf¬ ſtrebenden Sohne das Wahre mit feſter Hand vorzeichnet.
Man konnte auf zwei Wegen zu der Woh¬ nung des alten Schulmeiſters gelangen; entweder mußten wir einen lang gedehnten Berg hinter dem Dorfe erſteigen und laͤngs auf demſelben fortgehend, endlich jenſeits niederſteigen, wo wie¬ der ein Thal lag, aͤhnlich dem unſerigen, nur
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haͤtte wie ein vollendeter Jahrmarktsburſche aus¬
geſehen, wenn nicht die Unſchuld und Schuͤchtern¬
heit des Alters den unbeſcheidenen Aufzug gemil¬
dert haͤtten. Menſchen, welche etwas Beſſeres
und Tieferes ahnen und wuͤnſchen, werden ſich,
wie ich glaube, mehr und mehr aller laͤcherlichen
Aeußerlichkeiten enthalten, je mehr ſie dem ge¬
ahnten Inhalte durch Erfahrung und That nahe
treten; je mehr ſie aber noch davon entfernt ſind,
deſto aͤngſtlicher klammern ſie ſich an ſolche
Schnoͤrkeleien. Allein gerade dieſe Aeußerlichkeit
verhindert oft das Innere, ſich raſch zu ent¬
wickeln, wenn nicht ein Mann und Vater vor¬
handen iſt, welcher ſie mit geſundem Spotte be¬
ſchneidet und unterdruͤckt, indeſſen er dem auf¬
ſtrebenden Sohne das Wahre mit feſter Hand
vorzeichnet.
Man konnte auf zwei Wegen zu der Woh¬
nung des alten Schulmeiſters gelangen; entweder
mußten wir einen lang gedehnten Berg hinter
dem Dorfe erſteigen und laͤngs auf demſelben
fortgehend, endlich jenſeits niederſteigen, wo wie¬
der ein Thal lag, aͤhnlich dem unſerigen, nur
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/67>, abgerufen am 04.12.2024.
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