desmal zu mir kommst, wenn du im Dorfe bist, in der Nacht und heimlich; am Tage und vor den Leuten wollen wir thun, als ob wir uns kaum ansehen möchten. Ich verspreche dir, daß es dich nie gereuen soll. Es wird in der Welt nicht so gehen, wie du es denkst und vielleicht auch mit Anna nicht; das Alles wirst du schon sehen; ich sage dir nur, daß du später froh sein sollst, wenn du zu mir gekommen bist!" -- "Nie komme ich wieder!" rief ich etwas heftig -- "Bst! nicht so laut," sagte sie; dann sah sie mir ernst¬ haft in die Augen, daß ich trotz Sturm und Dunkelheit die ihrigen glänzen sah, und fuhr fort: "Wenn du mir nicht heilig und auf deine Ehre versprichst, daß du wiederkommen willst, so nehm' ich dich sogleich wieder mit, nehme dich zu mir in's Bett und du mußt bei mir schlafen! Das schwöre ich bei Gott!" Es kam mir gar nicht in den Sinn, über diese Drohung zu lachen oder dieselbe zu verachten; vielmehr versprach ich, so schnell ich konnte, in Judith's Hand, daß ich wie¬ der kommen wollte, und eilte davon. Ich lief darauf zu, ohne zu wissen wohin; denn der strö¬
desmal zu mir kommſt, wenn du im Dorfe biſt, in der Nacht und heimlich; am Tage und vor den Leuten wollen wir thun, als ob wir uns kaum anſehen moͤchten. Ich verſpreche dir, daß es dich nie gereuen ſoll. Es wird in der Welt nicht ſo gehen, wie du es denkſt und vielleicht auch mit Anna nicht; das Alles wirſt du ſchon ſehen; ich ſage dir nur, daß du ſpaͤter froh ſein ſollſt, wenn du zu mir gekommen biſt!« — »Nie komme ich wieder!« rief ich etwas heftig — »Bſt! nicht ſo laut,« ſagte ſie; dann ſah ſie mir ernſt¬ haft in die Augen, daß ich trotz Sturm und Dunkelheit die ihrigen glaͤnzen ſah, und fuhr fort: »Wenn du mir nicht heilig und auf deine Ehre verſprichſt, daß du wiederkommen willſt, ſo nehm' ich dich ſogleich wieder mit, nehme dich zu mir in's Bett und du mußt bei mir ſchlafen! Das ſchwoͤre ich bei Gott!« Es kam mir gar nicht in den Sinn, uͤber dieſe Drohung zu lachen oder dieſelbe zu verachten; vielmehr verſprach ich, ſo ſchnell ich konnte, in Judith's Hand, daß ich wie¬ der kommen wollte, und eilte davon. Ich lief darauf zu, ohne zu wiſſen wohin; denn der ſtroͤ¬
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desmal zu mir kommſt, wenn du im Dorfe biſt,
in der Nacht und heimlich; am Tage und vor
den Leuten wollen wir thun, als ob wir uns
kaum anſehen moͤchten. Ich verſpreche dir, daß
es dich nie gereuen ſoll. Es wird in der Welt
nicht ſo gehen, wie du es denkſt und vielleicht
auch mit Anna nicht; das Alles wirſt du ſchon
ſehen; ich ſage dir nur, daß du ſpaͤter froh ſein
ſollſt, wenn du zu mir gekommen biſt!« — »Nie
komme ich wieder!« rief ich etwas heftig — »Bſt!
nicht ſo laut,« ſagte ſie; dann ſah ſie mir ernſt¬
haft in die Augen, daß ich trotz Sturm und
Dunkelheit die ihrigen glaͤnzen ſah, und fuhr fort:
»Wenn du mir nicht heilig und auf deine Ehre
verſprichſt, daß du wiederkommen willſt, ſo nehm'
ich dich ſogleich wieder mit, nehme dich zu mir
in's Bett und du mußt bei mir ſchlafen! Das
ſchwoͤre ich bei Gott!« Es kam mir gar nicht
in den Sinn, uͤber dieſe Drohung zu lachen oder
dieſelbe zu verachten; vielmehr verſprach ich, ſo
ſchnell ich konnte, in Judith's Hand, daß ich wie¬
der kommen wollte, und eilte davon. Ich lief
darauf zu, ohne zu wiſſen wohin; denn der ſtroͤ¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/464>, abgerufen am 25.11.2024.
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