machte, sagte der Mann, welcher die Augen wie eine Doppelbüchse auf den Stuhl gerichtet hatte "Es ist sie nicht, es ist nur ein weißes Tuch; das Kaffeegeschirr steht auf dem Tisch und das Kirchenbuch liegt dabei. Der Himmelteufel ist am Ende frömmer, als man glaubt!" Judith aber flüsterte mir in's Ohr: "Der Schelm hätte dich jetzt ganz gewiß erblickt, wenn wir sitzen ge¬ blieben wären!" Doch die gewaltigen Regen¬ güsse, Blitz und Donner, die nun hereinbrachen, vertrieben den Späher vom Fenster; wir hörten, wie sie ihre Kutten schüttelten und auseinander sprangen, um im Dorfe ein Unterkommen zu su¬ chen, da sie alle weit von Hause waren. Als wir Nichts mehr von ihnen hörten, saßen wir noch eine Weile ganz still auf dem Bette und lauschten auf das Gewitter, welches das Häus¬ chen erzittern machte, so daß ich mein eigenes leises Zittern nicht recht davon unterscheiden konnte. Ich umfaßte Judith, um nur dies be¬ klemmende Zittern zu unterbrechen, und küßte sie auf den Mund; sie küßte mich wieder, fest und warm; doch dann löste sie meine Arme von ihrem
machte, ſagte der Mann, welcher die Augen wie eine Doppelbuͤchſe auf den Stuhl gerichtet hatte »Es iſt ſie nicht, es iſt nur ein weißes Tuch; das Kaffeegeſchirr ſteht auf dem Tiſch und das Kirchenbuch liegt dabei. Der Himmelteufel iſt am Ende froͤmmer, als man glaubt!« Judith aber fluͤſterte mir in's Ohr: »Der Schelm haͤtte dich jetzt ganz gewiß erblickt, wenn wir ſitzen ge¬ blieben waͤren!« Doch die gewaltigen Regen¬ guͤſſe, Blitz und Donner, die nun hereinbrachen, vertrieben den Spaͤher vom Fenſter; wir hoͤrten, wie ſie ihre Kutten ſchuͤttelten und auseinander ſprangen, um im Dorfe ein Unterkommen zu ſu¬ chen, da ſie alle weit von Hauſe waren. Als wir Nichts mehr von ihnen hoͤrten, ſaßen wir noch eine Weile ganz ſtill auf dem Bette und lauſchten auf das Gewitter, welches das Haͤus¬ chen erzittern machte, ſo daß ich mein eigenes leiſes Zittern nicht recht davon unterſcheiden konnte. Ich umfaßte Judith, um nur dies be¬ klemmende Zittern zu unterbrechen, und kuͤßte ſie auf den Mund; ſie kuͤßte mich wieder, feſt und warm; doch dann loͤſte ſie meine Arme von ihrem
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machte, ſagte der Mann, welcher die Augen wie
eine Doppelbuͤchſe auf den Stuhl gerichtet hatte
»Es iſt ſie nicht, es iſt nur ein weißes Tuch;
das Kaffeegeſchirr ſteht auf dem Tiſch und das
Kirchenbuch liegt dabei. Der Himmelteufel iſt
am Ende froͤmmer, als man glaubt!« Judith
aber fluͤſterte mir in's Ohr: »Der Schelm haͤtte
dich jetzt ganz gewiß erblickt, wenn wir ſitzen ge¬
blieben waͤren!« Doch die gewaltigen Regen¬
guͤſſe, Blitz und Donner, die nun hereinbrachen,
vertrieben den Spaͤher vom Fenſter; wir hoͤrten,
wie ſie ihre Kutten ſchuͤttelten und auseinander
ſprangen, um im Dorfe ein Unterkommen zu ſu¬
chen, da ſie alle weit von Hauſe waren. Als
wir Nichts mehr von ihnen hoͤrten, ſaßen wir
noch eine Weile ganz ſtill auf dem Bette und
lauſchten auf das Gewitter, welches das Haͤus¬
chen erzittern machte, ſo daß ich mein eigenes
leiſes Zittern nicht recht davon unterſcheiden
konnte. Ich umfaßte Judith, um nur dies be¬
klemmende Zittern zu unterbrechen, und kuͤßte ſie
auf den Mund; ſie kuͤßte mich wieder, feſt und
warm; doch dann loͤſte ſie meine Arme von ihrem
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/458>, abgerufen am 28.11.2024.
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