dieser süßesten Schmeichelei begierig ein, und meine Augen ruhten dabei auf der Höhe der Brust, welche still und groß aus dem frischen Linnen emporstieg und in unmittelbarster Nähe vor meinem Blicke glänzte wie die ewige Hei¬ math des Glückes. Judith wußte nicht, oder wenigstens nicht recht, daß es jetzt an ihrer eige¬ nen Brust still und klug, traurig und doch glück¬ selig zu sein war. Es dünkt mich, die Ruhe an der Brust einer schönen Frau sei der einzige und wahre irdische Lohn für die Mühe des Helden jeder Art und für alles Dulden des Mannes, und mehr werth, als Gold, Lorbeer und Wein zusammen. Nun war ich zwar sechszehn Jahr alt und weder ein Held noch Mann, der was gethan hatte; doch fühlte ich mich ganz außer der Zeit, wir waren gleich alt oder gleich jung in diesem Augenblicke und mir ging es durch das Herz, als ob ich jetzt jene schöne Ruhe vor¬ ausnähme für alles Leid und alle Mühe, die noch kommen sollten. Ja dieser Augenblick schien so sehr seine Rechtfertigung in sich selbst zu tragen, daß ich nicht einmal aufschreckte, als Judith, in
dieſer ſuͤßeſten Schmeichelei begierig ein, und meine Augen ruhten dabei auf der Hoͤhe der Bruſt, welche ſtill und groß aus dem friſchen Linnen emporſtieg und in unmittelbarſter Naͤhe vor meinem Blicke glaͤnzte wie die ewige Hei¬ math des Gluͤckes. Judith wußte nicht, oder wenigſtens nicht recht, daß es jetzt an ihrer eige¬ nen Bruſt ſtill und klug, traurig und doch gluͤck¬ ſelig zu ſein war. Es duͤnkt mich, die Ruhe an der Bruſt einer ſchoͤnen Frau ſei der einzige und wahre irdiſche Lohn fuͤr die Muͤhe des Helden jeder Art und fuͤr alles Dulden des Mannes, und mehr werth, als Gold, Lorbeer und Wein zuſammen. Nun war ich zwar ſechszehn Jahr alt und weder ein Held noch Mann, der was gethan hatte; doch fuͤhlte ich mich ganz außer der Zeit, wir waren gleich alt oder gleich jung in dieſem Augenblicke und mir ging es durch das Herz, als ob ich jetzt jene ſchoͤne Ruhe vor¬ ausnaͤhme fuͤr alles Leid und alle Muͤhe, die noch kommen ſollten. Ja dieſer Augenblick ſchien ſo ſehr ſeine Rechtfertigung in ſich ſelbſt zu tragen, daß ich nicht einmal aufſchreckte, als Judith, in
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dieſer ſuͤßeſten Schmeichelei begierig ein, und
meine Augen ruhten dabei auf der Hoͤhe der
Bruſt, welche ſtill und groß aus dem friſchen
Linnen emporſtieg und in unmittelbarſter Naͤhe
vor meinem Blicke glaͤnzte wie die ewige Hei¬
math des Gluͤckes. Judith wußte nicht, oder
wenigſtens nicht recht, daß es jetzt an ihrer eige¬
nen Bruſt ſtill und klug, traurig und doch gluͤck¬
ſelig zu ſein war. Es duͤnkt mich, die Ruhe an
der Bruſt einer ſchoͤnen Frau ſei der einzige und
wahre irdiſche Lohn fuͤr die Muͤhe des Helden
jeder Art und fuͤr alles Dulden des Mannes,
und mehr werth, als Gold, Lorbeer und Wein
zuſammen. Nun war ich zwar ſechszehn Jahr
alt und weder ein Held noch Mann, der was
gethan hatte; doch fuͤhlte ich mich ganz außer
der Zeit, wir waren gleich alt oder gleich jung
in dieſem Augenblicke und mir ging es durch
das Herz, als ob ich jetzt jene ſchoͤne Ruhe vor¬
ausnaͤhme fuͤr alles Leid und alle Muͤhe, die noch
kommen ſollten. Ja dieſer Augenblick ſchien ſo
ſehr ſeine Rechtfertigung in ſich ſelbſt zu tragen,
daß ich nicht einmal aufſchreckte, als Judith, in
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/455>, abgerufen am 24.11.2024.
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