führte zu einem hitzigen Gefechte, worin die Herren gegenseitig ihre Grundsätze, Thatsachen und Parteichefs herunter machten und das in Ausdrücken, Vergleichungen und Wendungen, Schlag auf Schlag, wie sie kein dramatischer Dichter für seine Volksscenen treffender und eigen¬ thümlicher erfinden könnte; nicht einmal nachzu¬ schreiben wären sie, so leicht und blitzähnlich ent¬ sprangen die Witze aus den Voraussetzungen, welche bald scharf zutreffend, bald böslich erson¬ nen, doch immer sich auf die Verhältnisse und Personen gründeten und zu immer neuen Grup¬ pen verschlangen. Ein Leitartikel oder eine Rede wäre zwar aus diesem Turnier nicht zu schöpfen gewesen; doch konnte man sehen, welch' eine ganz vertracte Kritik das Volk auf seine Weise führt, und wie sehr sich derjenige trügt, welcher, von der Tribüne herunter zu zweifelhaften Zwe¬ cken das "biedere, gute Volk" anrufend, irgend ein wohlwollendes und naives Pathos voraus¬ setzt. Selbst Aeußerlichkeiten, Angewöhnungen und körperliche Gebrechen wurden in einen sol¬ chen Zusammenhang mit den Worten und Hand¬
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fuͤhrte zu einem hitzigen Gefechte, worin die Herren gegenſeitig ihre Grundſaͤtze, Thatſachen und Parteichefs herunter machten und das in Ausdruͤcken, Vergleichungen und Wendungen, Schlag auf Schlag, wie ſie kein dramatiſcher Dichter fuͤr ſeine Volksſcenen treffender und eigen¬ thuͤmlicher erfinden koͤnnte; nicht einmal nachzu¬ ſchreiben waͤren ſie, ſo leicht und blitzaͤhnlich ent¬ ſprangen die Witze aus den Vorausſetzungen, welche bald ſcharf zutreffend, bald boͤslich erſon¬ nen, doch immer ſich auf die Verhaͤltniſſe und Perſonen gruͤndeten und zu immer neuen Grup¬ pen verſchlangen. Ein Leitartikel oder eine Rede waͤre zwar aus dieſem Turnier nicht zu ſchoͤpfen geweſen; doch konnte man ſehen, welch' eine ganz vertracte Kritik das Volk auf ſeine Weiſe fuͤhrt, und wie ſehr ſich derjenige truͤgt, welcher, von der Tribuͤne herunter zu zweifelhaften Zwe¬ cken das »biedere, gute Volk« anrufend, irgend ein wohlwollendes und naives Pathos voraus¬ ſetzt. Selbſt Aeußerlichkeiten, Angewoͤhnungen und koͤrperliche Gebrechen wurden in einen ſol¬ chen Zuſammenhang mit den Worten und Hand¬
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fuͤhrte zu einem hitzigen Gefechte, worin die
Herren gegenſeitig ihre Grundſaͤtze, Thatſachen
und Parteichefs herunter machten und das in
Ausdruͤcken, Vergleichungen und Wendungen,
Schlag auf Schlag, wie ſie kein dramatiſcher
Dichter fuͤr ſeine Volksſcenen treffender und eigen¬
thuͤmlicher erfinden koͤnnte; nicht einmal nachzu¬
ſchreiben waͤren ſie, ſo leicht und blitzaͤhnlich ent¬
ſprangen die Witze aus den Vorausſetzungen,
welche bald ſcharf zutreffend, bald boͤslich erſon¬
nen, doch immer ſich auf die Verhaͤltniſſe und
Perſonen gruͤndeten und zu immer neuen Grup¬
pen verſchlangen. Ein Leitartikel oder eine Rede
waͤre zwar aus dieſem Turnier nicht zu ſchoͤpfen
geweſen; doch konnte man ſehen, welch' eine
ganz vertracte Kritik das Volk auf ſeine Weiſe
fuͤhrt, und wie ſehr ſich derjenige truͤgt, welcher,
von der Tribuͤne herunter zu zweifelhaften Zwe¬
cken das »biedere, gute Volk« anrufend, irgend
ein wohlwollendes und naives Pathos voraus¬
ſetzt. Selbſt Aeußerlichkeiten, Angewoͤhnungen
und koͤrperliche Gebrechen wurden in einen ſol¬
chen Zuſammenhang mit den Worten und Hand¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/445>, abgerufen am 23.11.2024.
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