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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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bedeckt, welches ein wenig ihren prächtigen Hals
sehen ließ; um diesen lag eine feine Goldkette
und verlor sich im Halstuche, sonst trug sie keinen
Putz, als ihr schönes braunes Haar. Der Kahl¬
kopf blinzelte mit den Augen und sang:

"Mein Schatz, um deinen weißen Hals
Geht eine Schnur von Katzengold,
Die führt an deinem Busam
Teuf in dein falsches Herz!"

Judith erwiederte schnell: "Damit ihr meinen
weißen Hals einmal vergeßt, will ich euch auch
ein Lied von etwas Weißem berichten!" und sie
sang nicht, sondern sagte einfach wohlklingend:

"Es ist eine üble Zeit!
Luna, die weiland keusche Maid,
Liebäugelt auf den Köpfen alter Sünder
Am hellen Tag und höhnt uns arme Kinder.
Schäm' dich, Mondschein!
Ich that das Fenster auf
In dunkler Nacht und suchte Luna's Lauf;
Da glänzt sie frech an meines Hauses Schwelle,
Wild goß ich Wasser auf die weiße Stelle.
Schäm' dich, Mondschein!"

Ihre Mutter war gestorben, auch hatte sie

bedeckt, welches ein wenig ihren praͤchtigen Hals
ſehen ließ; um dieſen lag eine feine Goldkette
und verlor ſich im Halstuche, ſonſt trug ſie keinen
Putz, als ihr ſchoͤnes braunes Haar. Der Kahl¬
kopf blinzelte mit den Augen und ſang:

»Mein Schatz, um deinen weißen Hals
Geht eine Schnur von Katzengold,
Die fuͤhrt an deinem Buſam
Teuf in dein falſches Herz!«

Judith erwiederte ſchnell: »Damit ihr meinen
weißen Hals einmal vergeßt, will ich euch auch
ein Lied von etwas Weißem berichten!« und ſie
ſang nicht, ſondern ſagte einfach wohlklingend:

»Es iſt eine uͤble Zeit!
Luna, die weiland keuſche Maid,
Liebaͤugelt auf den Koͤpfen alter Suͤnder
Am hellen Tag und hoͤhnt uns arme Kinder.
Schaͤm' dich, Mondſchein!
Ich that das Fenſter auf
In dunkler Nacht und ſuchte Luna's Lauf;
Da glaͤnzt ſie frech an meines Hauſes Schwelle,
Wild goß ich Waſſer auf die weiße Stelle.
Schaͤm' dich, Mondſchein!«

Ihre Mutter war geſtorben, auch hatte ſie

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[431/0441] bedeckt, welches ein wenig ihren praͤchtigen Hals ſehen ließ; um dieſen lag eine feine Goldkette und verlor ſich im Halstuche, ſonſt trug ſie keinen Putz, als ihr ſchoͤnes braunes Haar. Der Kahl¬ kopf blinzelte mit den Augen und ſang: »Mein Schatz, um deinen weißen Hals Geht eine Schnur von Katzengold, Die fuͤhrt an deinem Buſam Teuf in dein falſches Herz!« Judith erwiederte ſchnell: »Damit ihr meinen weißen Hals einmal vergeßt, will ich euch auch ein Lied von etwas Weißem berichten!« und ſie ſang nicht, ſondern ſagte einfach wohlklingend: »Es iſt eine uͤble Zeit! Luna, die weiland keuſche Maid, Liebaͤugelt auf den Koͤpfen alter Suͤnder Am hellen Tag und hoͤhnt uns arme Kinder. Schaͤm' dich, Mondſchein! Ich that das Fenſter auf In dunkler Nacht und ſuchte Luna's Lauf; Da glaͤnzt ſie frech an meines Hauſes Schwelle, Wild goß ich Waſſer auf die weiße Stelle. Schaͤm' dich, Mondſchein!« Ihre Mutter war geſtorben, auch hatte ſie

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 431. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/441>, abgerufen am 23.11.2024.