Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

zur Ehre, daß es ihrer leibhaften Gegenwart be¬
durft hätte, zur Bescheidenheit zurückzukehren.
Doch als ich von meinen Vettern und Bekann¬
ten als ein verloren Geglaubter tapfer begrüßt
und in den Strudel gezogen wurde, blendete mich
das Licht der Freude, daß ich mich und meinen
Aerger vergaß und der Reihe nach mit meinen
drei Basen tanzte. Nach diesen tanzte ich mit
einem fremden zierlichen Mädchen; allein ich er¬
hitzte mich immer mehr, ohne zufrieden zu sein;
die Lust, welche im Ganzen so viel Geräusch
machte, ging mir im Einzelnen viel zu langsam
und nüchtern vor sich. So freudestrahlend alle
die jungen Leute drein blickten, schien es mir doch
nur ein matter Schimmer zu sein gegen den
Glanz, der in meiner Phantasie wach geworden.
Unruhig streifte ich durch einige Trinkstuben, die
neben dem Saale waren, und wurde von einer
Gesellschaft junger Burschen angehalten, welche
purpurrothen Wein tranken und dazu sangen.
Hier schien meine Sehnsucht endlich ein Ziel zu
finden, ich trank von dem kühlen Wein, dessen
schöne Farbe meinen Augen sehr wohl gefiel, und

zur Ehre, daß es ihrer leibhaften Gegenwart be¬
durft haͤtte, zur Beſcheidenheit zuruͤckzukehren.
Doch als ich von meinen Vettern und Bekann¬
ten als ein verloren Geglaubter tapfer begruͤßt
und in den Strudel gezogen wurde, blendete mich
das Licht der Freude, daß ich mich und meinen
Aerger vergaß und der Reihe nach mit meinen
drei Baſen tanzte. Nach dieſen tanzte ich mit
einem fremden zierlichen Maͤdchen; allein ich er¬
hitzte mich immer mehr, ohne zufrieden zu ſein;
die Luſt, welche im Ganzen ſo viel Geraͤuſch
machte, ging mir im Einzelnen viel zu langſam
und nuͤchtern vor ſich. So freudeſtrahlend alle
die jungen Leute drein blickten, ſchien es mir doch
nur ein matter Schimmer zu ſein gegen den
Glanz, der in meiner Phantaſie wach geworden.
Unruhig ſtreifte ich durch einige Trinkſtuben, die
neben dem Saale waren, und wurde von einer
Geſellſchaft junger Burſchen angehalten, welche
purpurrothen Wein tranken und dazu ſangen.
Hier ſchien meine Sehnſucht endlich ein Ziel zu
finden, ich trank von dem kuͤhlen Wein, deſſen
ſchoͤne Farbe meinen Augen ſehr wohl gefiel, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0436" n="426"/>
zur Ehre, daß es ihrer leibhaften Gegenwart be¬<lb/>
durft ha&#x0364;tte, zur Be&#x017F;cheidenheit zuru&#x0364;ckzukehren.<lb/>
Doch als ich von meinen Vettern und Bekann¬<lb/>
ten als ein verloren Geglaubter tapfer begru&#x0364;ßt<lb/>
und in den Strudel gezogen wurde, blendete mich<lb/>
das Licht der Freude, daß ich mich und meinen<lb/>
Aerger vergaß und der Reihe nach mit meinen<lb/>
drei Ba&#x017F;en tanzte. Nach die&#x017F;en tanzte ich mit<lb/>
einem fremden zierlichen Ma&#x0364;dchen; allein ich er¬<lb/>
hitzte mich immer mehr, ohne zufrieden zu &#x017F;ein;<lb/>
die Lu&#x017F;t, welche im Ganzen &#x017F;o viel Gera&#x0364;u&#x017F;ch<lb/>
machte, ging mir im Einzelnen viel zu lang&#x017F;am<lb/>
und nu&#x0364;chtern vor &#x017F;ich. So freude&#x017F;trahlend alle<lb/>
die jungen Leute drein blickten, &#x017F;chien es mir doch<lb/>
nur ein matter Schimmer zu &#x017F;ein gegen den<lb/>
Glanz, der in meiner Phanta&#x017F;ie wach geworden.<lb/>
Unruhig &#x017F;treifte ich durch einige Trink&#x017F;tuben, die<lb/>
neben dem Saale waren, und wurde von einer<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft junger Bur&#x017F;chen angehalten, welche<lb/>
purpurrothen Wein tranken und dazu &#x017F;angen.<lb/>
Hier &#x017F;chien meine Sehn&#x017F;ucht endlich ein Ziel zu<lb/>
finden, ich trank von dem ku&#x0364;hlen Wein, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;ne Farbe meinen Augen &#x017F;ehr wohl gefiel, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[426/0436] zur Ehre, daß es ihrer leibhaften Gegenwart be¬ durft haͤtte, zur Beſcheidenheit zuruͤckzukehren. Doch als ich von meinen Vettern und Bekann¬ ten als ein verloren Geglaubter tapfer begruͤßt und in den Strudel gezogen wurde, blendete mich das Licht der Freude, daß ich mich und meinen Aerger vergaß und der Reihe nach mit meinen drei Baſen tanzte. Nach dieſen tanzte ich mit einem fremden zierlichen Maͤdchen; allein ich er¬ hitzte mich immer mehr, ohne zufrieden zu ſein; die Luſt, welche im Ganzen ſo viel Geraͤuſch machte, ging mir im Einzelnen viel zu langſam und nuͤchtern vor ſich. So freudeſtrahlend alle die jungen Leute drein blickten, ſchien es mir doch nur ein matter Schimmer zu ſein gegen den Glanz, der in meiner Phantaſie wach geworden. Unruhig ſtreifte ich durch einige Trinkſtuben, die neben dem Saale waren, und wurde von einer Geſellſchaft junger Burſchen angehalten, welche purpurrothen Wein tranken und dazu ſangen. Hier ſchien meine Sehnſucht endlich ein Ziel zu finden, ich trank von dem kuͤhlen Wein, deſſen ſchoͤne Farbe meinen Augen ſehr wohl gefiel, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/436
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/436>, abgerufen am 23.11.2024.