und in welchem wir bleiben sollten. Anna gab ihre Zufriedenheit auch dadurch zu erkennen, daß sie das Fenster nicht verließ, bis ich weggeritten war, und mir noch ein liebevoll schalkhaftes Adieu nachrief.
Gleich vor dem Dorfe kam der Schulmeister heim gefahren mit dem oheimlichen Ehepaar, denen ich sagte, daß Anna schon zu Hause sei, und ein Stück weiter stieß ich auf des Müllers Knecht, welcher dessen Pferd nach Hause führte. Da ich vernahm, daß schon Alles bei dem Zwing¬ uri versammelt und dort ein großes Halloh sei, auch der Weg dahin nicht mehr weit war, gab ich meinen Gaul auch dem Knecht und eilte zu Fuß weiter. Zum Zwinguri hatte man eine ver¬ fallene Burgruine bestimmt, welche auf dem höch¬ sten Punkte einer Bergallmende steht und eine weite Aussicht in's Gebirge hinüber gewährt. Die Trümmer waren durch einiges Stangen- und Brettergerüst so bekleidet, als ob sie eben im Aufbau statt im Verfalle wären, und mit den Kränzen der triumphirenden Tyrannei behangen. Die Sonne ging eben unter, als ich ankam und
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und in welchem wir bleiben ſollten. Anna gab ihre Zufriedenheit auch dadurch zu erkennen, daß ſie das Fenſter nicht verließ, bis ich weggeritten war, und mir noch ein liebevoll ſchalkhaftes Adieu nachrief.
Gleich vor dem Dorfe kam der Schulmeiſter heim gefahren mit dem oheimlichen Ehepaar, denen ich ſagte, daß Anna ſchon zu Hauſe ſei, und ein Stuͤck weiter ſtieß ich auf des Muͤllers Knecht, welcher deſſen Pferd nach Hauſe fuͤhrte. Da ich vernahm, daß ſchon Alles bei dem Zwing¬ uri verſammelt und dort ein großes Halloh ſei, auch der Weg dahin nicht mehr weit war, gab ich meinen Gaul auch dem Knecht und eilte zu Fuß weiter. Zum Zwinguri hatte man eine ver¬ fallene Burgruine beſtimmt, welche auf dem hoͤch¬ ſten Punkte einer Bergallmende ſteht und eine weite Ausſicht in's Gebirge hinuͤber gewaͤhrt. Die Truͤmmer waren durch einiges Stangen- und Brettergeruͤſt ſo bekleidet, als ob ſie eben im Aufbau ſtatt im Verfalle waͤren, und mit den Kraͤnzen der triumphirenden Tyrannei behangen. Die Sonne ging eben unter, als ich ankam und
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und in welchem wir bleiben ſollten. Anna gab
ihre Zufriedenheit auch dadurch zu erkennen, daß
ſie das Fenſter nicht verließ, bis ich weggeritten
war, und mir noch ein liebevoll ſchalkhaftes Adieu
nachrief.
Gleich vor dem Dorfe kam der Schulmeiſter
heim gefahren mit dem oheimlichen Ehepaar,
denen ich ſagte, daß Anna ſchon zu Hauſe ſei,
und ein Stuͤck weiter ſtieß ich auf des Muͤllers
Knecht, welcher deſſen Pferd nach Hauſe fuͤhrte.
Da ich vernahm, daß ſchon Alles bei dem Zwing¬
uri verſammelt und dort ein großes Halloh ſei,
auch der Weg dahin nicht mehr weit war, gab
ich meinen Gaul auch dem Knecht und eilte zu
Fuß weiter. Zum Zwinguri hatte man eine ver¬
fallene Burgruine beſtimmt, welche auf dem hoͤch¬
ſten Punkte einer Bergallmende ſteht und eine
weite Ausſicht in's Gebirge hinuͤber gewaͤhrt.
Die Truͤmmer waren durch einiges Stangen- und
Brettergeruͤſt ſo bekleidet, als ob ſie eben im
Aufbau ſtatt im Verfalle waͤren, und mit den
Kraͤnzen der triumphirenden Tyrannei behangen.
Die Sonne ging eben unter, als ich ankam und
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 419. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/429>, abgerufen am 23.11.2024.
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