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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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um die Regierung verdient habe, daß man ihm
das Haus seiner Väter in eine Einöde setze!
Herabzusteigen und an dem feuchten Wasser
sich anzunisten, wie eine Fischotter, dazu werde
man ihn nicht überreden; oben, wo es trocken
und sonnig, sei er geboren, und dort werde er
auch bleiben! Hierauf versetzte sein Gegner lä¬
chelnd: Das möge er unbehindert thun und von
der Freiheit träumen, während er ein Unterthan
seiner Vorurtheile sei; Andere zögen es vor, in
der That frei zu sein und sich munter umherzu¬
treiben. Schon fing die Gelassenheit an zu wei¬
chen und bei den beiderseitigen Anhängern Worte
wie: Starrsinn und Eigennutz! laut zu werden,
als ein fröhlicher Haufe den Tell zur Fortsetzung
seiner Thaten abholte; denn er sollte noch auf die
Platte springen und den Vogt erschießen. Etwas
zornig brach er auf, indeß auch die Uebrigen sich
zerstreuten und nur Anna mit ihrem Vater und ich
sitzen blieben. Die Unterredung hatte einen pein¬
lichen Eindruck auf mich gemacht; besonders am
Wirth hatte mich dies unverholene Verfechten des
eigenen Vortheiles, an diesem Tage und in sol¬

um die Regierung verdient habe, daß man ihm
das Haus ſeiner Vaͤter in eine Einoͤde ſetze!
Herabzuſteigen und an dem feuchten Waſſer
ſich anzuniſten, wie eine Fiſchotter, dazu werde
man ihn nicht uͤberreden; oben, wo es trocken
und ſonnig, ſei er geboren, und dort werde er
auch bleiben! Hierauf verſetzte ſein Gegner laͤ¬
chelnd: Das moͤge er unbehindert thun und von
der Freiheit traͤumen, waͤhrend er ein Unterthan
ſeiner Vorurtheile ſei; Andere zoͤgen es vor, in
der That frei zu ſein und ſich munter umherzu¬
treiben. Schon fing die Gelaſſenheit an zu wei¬
chen und bei den beiderſeitigen Anhaͤngern Worte
wie: Starrſinn und Eigennutz! laut zu werden,
als ein froͤhlicher Haufe den Tell zur Fortſetzung
ſeiner Thaten abholte; denn er ſollte noch auf die
Platte ſpringen und den Vogt erſchießen. Etwas
zornig brach er auf, indeß auch die Uebrigen ſich
zerſtreuten und nur Anna mit ihrem Vater und ich
ſitzen blieben. Die Unterredung hatte einen pein¬
lichen Eindruck auf mich gemacht; beſonders am
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[389/0399] um die Regierung verdient habe, daß man ihm das Haus ſeiner Vaͤter in eine Einoͤde ſetze! Herabzuſteigen und an dem feuchten Waſſer ſich anzuniſten, wie eine Fiſchotter, dazu werde man ihn nicht uͤberreden; oben, wo es trocken und ſonnig, ſei er geboren, und dort werde er auch bleiben! Hierauf verſetzte ſein Gegner laͤ¬ chelnd: Das moͤge er unbehindert thun und von der Freiheit traͤumen, waͤhrend er ein Unterthan ſeiner Vorurtheile ſei; Andere zoͤgen es vor, in der That frei zu ſein und ſich munter umherzu¬ treiben. Schon fing die Gelaſſenheit an zu wei¬ chen und bei den beiderſeitigen Anhaͤngern Worte wie: Starrſinn und Eigennutz! laut zu werden, als ein froͤhlicher Haufe den Tell zur Fortſetzung ſeiner Thaten abholte; denn er ſollte noch auf die Platte ſpringen und den Vogt erſchießen. Etwas zornig brach er auf, indeß auch die Uebrigen ſich zerſtreuten und nur Anna mit ihrem Vater und ich ſitzen blieben. Die Unterredung hatte einen pein¬ lichen Eindruck auf mich gemacht; beſonders am Wirth hatte mich dies unverholene Verfechten des eigenen Vortheiles, an dieſem Tage und in ſol¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 389. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/399>, abgerufen am 23.11.2024.