ausgekocht würde, und zu diesem Ende hin hatte der Statthalter diese Gelegenheit ergriffen, die beiden Männer an einander zu bringen und zu einer Verständigung aufzufordern. Der Statt¬ halter war ein freundlicher und wohlbeleibter Mann mit einem hübschen Gesichte und vornehm grauen Haaren; er trug feine Wäsche und einen feinen Rock, an der feinen Hand goldene Ringe und lachte gern. Immer war er gelassen, führte seine Geschäfte mit Festigkeit durch, ohne sich auf die Gewalt zu berufen und als Regierungsperson zu brüsten. Er war sehr gebildet, allein davon zeigte er jederzeit nur so viel nöthig war und that dies auf eine Weise, als ob er den Bauern nur etwas erzählte, das er zufällig erfahren und sie eben so gut wissen könnten, wenn es sich just gefügt hätte. Mit seinem feinen Rock und seinen Manschetten ging er überall hin, wo ein Bauers¬ mann hinging, nahm seinen Putz nicht in Acht dabei und verdarb ihn doch nicht. Zu den Leu¬ ten verhielt er sich nicht wie ein Vogt zu seinen Untergebenen, oder wie ein Offizier zu seinen Soldaten, auch nicht wie ein Vater zu den Kin¬
ausgekocht wuͤrde, und zu dieſem Ende hin hatte der Statthalter dieſe Gelegenheit ergriffen, die beiden Maͤnner an einander zu bringen und zu einer Verſtaͤndigung aufzufordern. Der Statt¬ halter war ein freundlicher und wohlbeleibter Mann mit einem huͤbſchen Geſichte und vornehm grauen Haaren; er trug feine Waͤſche und einen feinen Rock, an der feinen Hand goldene Ringe und lachte gern. Immer war er gelaſſen, fuͤhrte ſeine Geſchaͤfte mit Feſtigkeit durch, ohne ſich auf die Gewalt zu berufen und als Regierungsperſon zu bruͤſten. Er war ſehr gebildet, allein davon zeigte er jederzeit nur ſo viel noͤthig war und that dies auf eine Weiſe, als ob er den Bauern nur etwas erzaͤhlte, das er zufaͤllig erfahren und ſie eben ſo gut wiſſen koͤnnten, wenn es ſich juſt gefuͤgt haͤtte. Mit ſeinem feinen Rock und ſeinen Manſchetten ging er uͤberall hin, wo ein Bauers¬ mann hinging, nahm ſeinen Putz nicht in Acht dabei und verdarb ihn doch nicht. Zu den Leu¬ ten verhielt er ſich nicht wie ein Vogt zu ſeinen Untergebenen, oder wie ein Offizier zu ſeinen Soldaten, auch nicht wie ein Vater zu den Kin¬
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ausgekocht wuͤrde, und zu dieſem Ende hin hatte
der Statthalter dieſe Gelegenheit ergriffen, die
beiden Maͤnner an einander zu bringen und zu
einer Verſtaͤndigung aufzufordern. Der Statt¬
halter war ein freundlicher und wohlbeleibter
Mann mit einem huͤbſchen Geſichte und vornehm
grauen Haaren; er trug feine Waͤſche und einen
feinen Rock, an der feinen Hand goldene Ringe
und lachte gern. Immer war er gelaſſen, fuͤhrte
ſeine Geſchaͤfte mit Feſtigkeit durch, ohne ſich auf
die Gewalt zu berufen und als Regierungsperſon
zu bruͤſten. Er war ſehr gebildet, allein davon
zeigte er jederzeit nur ſo viel noͤthig war und
that dies auf eine Weiſe, als ob er den Bauern
nur etwas erzaͤhlte, das er zufaͤllig erfahren und
ſie eben ſo gut wiſſen koͤnnten, wenn es ſich juſt
gefuͤgt haͤtte. Mit ſeinem feinen Rock und ſeinen
Manſchetten ging er uͤberall hin, wo ein Bauers¬
mann hinging, nahm ſeinen Putz nicht in Acht
dabei und verdarb ihn doch nicht. Zu den Leu¬
ten verhielt er ſich nicht wie ein Vogt zu ſeinen
Untergebenen, oder wie ein Offizier zu ſeinen
Soldaten, auch nicht wie ein Vater zu den Kin¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/396>, abgerufen am 23.11.2024.
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