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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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müsse arbeiten und sorgen, sich ein unabhängiges
Auskommen zu schaffen und zu erhalten, aber
nicht mehr als nöthig sei, und wenn die Sache
in sicherem Gange, so zieme dem Mann eine an¬
ständige Ruhe, ein vernünftiges Wort beim Glase
Wein, eine erbauliche Betrachtung der Vergan¬
genheit des Landes und seiner Zukunft. Er be¬
trieb einen beschränkten Weinhandel, nur mit gu¬
tem und werthvollem Wein, mehr gelegentlich als
geschäftsmäßig; in seinem Hause ging Alles sei¬
nen Gang, ohne daß er viel umhersprang, wozu
er auch zu beleibt war. Auch er war ein Mann
des Rathes und der That, aber mehr in der
moralischen Welt und in politischen Dingen
ein einflußreicher Volksmann, ohne daß er im
großen Rathe saß. Bei den Wahlen hörten
Viele auf ihn; daher mochte die Regierung ihn
so wenig gegen sich aufbringen als den Holzhänd¬
ler. Sie hatte dem großen Rathe, behufs eines
Gesetzes über den fraglichen Straßenbau, ihr Gut¬
achten vorzulegen; man wünschte, daß der betref¬
fende Nachtheil des Entscheides nicht den Behör¬
den zur Last gelegt, sondern an Ort und Stelle

II. 25

muͤſſe arbeiten und ſorgen, ſich ein unabhaͤngiges
Auskommen zu ſchaffen und zu erhalten, aber
nicht mehr als noͤthig ſei, und wenn die Sache
in ſicherem Gange, ſo zieme dem Mann eine an¬
ſtaͤndige Ruhe, ein vernuͤnftiges Wort beim Glaſe
Wein, eine erbauliche Betrachtung der Vergan¬
genheit des Landes und ſeiner Zukunft. Er be¬
trieb einen beſchraͤnkten Weinhandel, nur mit gu¬
tem und werthvollem Wein, mehr gelegentlich als
geſchaͤftsmaͤßig; in ſeinem Hauſe ging Alles ſei¬
nen Gang, ohne daß er viel umherſprang, wozu
er auch zu beleibt war. Auch er war ein Mann
des Rathes und der That, aber mehr in der
moraliſchen Welt und in politiſchen Dingen
ein einflußreicher Volksmann, ohne daß er im
großen Rathe ſaß. Bei den Wahlen hoͤrten
Viele auf ihn; daher mochte die Regierung ihn
ſo wenig gegen ſich aufbringen als den Holzhaͤnd¬
ler. Sie hatte dem großen Rathe, behufs eines
Geſetzes uͤber den fraglichen Straßenbau, ihr Gut¬
achten vorzulegen; man wuͤnſchte, daß der betref¬
fende Nachtheil des Entſcheides nicht den Behoͤr¬
den zur Laſt gelegt, ſondern an Ort und Stelle

II. 25
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[385/0395] muͤſſe arbeiten und ſorgen, ſich ein unabhaͤngiges Auskommen zu ſchaffen und zu erhalten, aber nicht mehr als noͤthig ſei, und wenn die Sache in ſicherem Gange, ſo zieme dem Mann eine an¬ ſtaͤndige Ruhe, ein vernuͤnftiges Wort beim Glaſe Wein, eine erbauliche Betrachtung der Vergan¬ genheit des Landes und ſeiner Zukunft. Er be¬ trieb einen beſchraͤnkten Weinhandel, nur mit gu¬ tem und werthvollem Wein, mehr gelegentlich als geſchaͤftsmaͤßig; in ſeinem Hauſe ging Alles ſei¬ nen Gang, ohne daß er viel umherſprang, wozu er auch zu beleibt war. Auch er war ein Mann des Rathes und der That, aber mehr in der moraliſchen Welt und in politiſchen Dingen ein einflußreicher Volksmann, ohne daß er im großen Rathe ſaß. Bei den Wahlen hoͤrten Viele auf ihn; daher mochte die Regierung ihn ſo wenig gegen ſich aufbringen als den Holzhaͤnd¬ ler. Sie hatte dem großen Rathe, behufs eines Geſetzes uͤber den fraglichen Straßenbau, ihr Gut¬ achten vorzulegen; man wuͤnſchte, daß der betref¬ fende Nachtheil des Entſcheides nicht den Behoͤr¬ den zur Laſt gelegt, ſondern an Ort und Stelle II. 25

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/395>, abgerufen am 23.11.2024.