Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

rathen und so eben durch Anna's feines Wesen
fälschlich zu deren Anwendung verlockt worden.

Während man nun von allen Seiten auf¬
brach, hatte sich in unserer Nähe, wo der Statt¬
halter, Wilhelm Tell, der Wirth und andere
Männer von Gewicht saßen, eine bedächtige Un¬
terhandlung entsponnen. Es handelte sich um die
Richtung einer neuen Straße erster Klasse, welche
von der Hauptstadt her durch diese Gegend an
die Gränze geführt werden sollte. Zwei verschie¬
dene Pläne standen sich in Bezug auf unser en¬
geres Gebiet entgegen, welche mit gleichwiegenden
Vortheilen und Schwierigkeiten verbunden wa¬
ren; die eine Richtung ging über eine gedehnte
Anhöhe, fast zusammenfallend mit einer älteren
Straße zweiten Ranges, mußte aber im Zickzack
geführt werden und stellte bedeutende Kosten in
Aussicht; die andere ging mehr gerad und eben
über den Fluß, allein hier war das anzukaufende
Land theurer und überdies ein Brückenbau noth¬
wendig, so daß die Kosten also sich gleich kamen,
während die Verkehrsverhältnisse die Wünschbar¬
keit ebenfalls ziemlich gleich vertheilten. Aber an

rathen und ſo eben durch Anna's feines Weſen
faͤlſchlich zu deren Anwendung verlockt worden.

Waͤhrend man nun von allen Seiten auf¬
brach, hatte ſich in unſerer Naͤhe, wo der Statt¬
halter, Wilhelm Tell, der Wirth und andere
Maͤnner von Gewicht ſaßen, eine bedaͤchtige Un¬
terhandlung entſponnen. Es handelte ſich um die
Richtung einer neuen Straße erſter Klaſſe, welche
von der Hauptſtadt her durch dieſe Gegend an
die Graͤnze gefuͤhrt werden ſollte. Zwei verſchie¬
dene Plaͤne ſtanden ſich in Bezug auf unſer en¬
geres Gebiet entgegen, welche mit gleichwiegenden
Vortheilen und Schwierigkeiten verbunden wa¬
ren; die eine Richtung ging uͤber eine gedehnte
Anhoͤhe, faſt zuſammenfallend mit einer aͤlteren
Straße zweiten Ranges, mußte aber im Zickzack
gefuͤhrt werden und ſtellte bedeutende Koſten in
Ausſicht; die andere ging mehr gerad und eben
uͤber den Fluß, allein hier war das anzukaufende
Land theurer und uͤberdies ein Bruͤckenbau noth¬
wendig, ſo daß die Koſten alſo ſich gleich kamen,
waͤhrend die Verkehrsverhaͤltniſſe die Wuͤnſchbar¬
keit ebenfalls ziemlich gleich vertheilten. Aber an

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0388" n="378"/>
rathen und &#x017F;o eben durch Anna's feines We&#x017F;en<lb/>
fa&#x0364;l&#x017F;chlich zu deren Anwendung verlockt worden.</p><lb/>
        <p>Wa&#x0364;hrend man nun von allen Seiten auf¬<lb/>
brach, hatte &#x017F;ich in un&#x017F;erer Na&#x0364;he, wo der Statt¬<lb/>
halter, Wilhelm Tell, der Wirth und andere<lb/>
Ma&#x0364;nner von Gewicht &#x017F;aßen, eine beda&#x0364;chtige Un¬<lb/>
terhandlung ent&#x017F;ponnen. Es handelte &#x017F;ich um die<lb/>
Richtung einer neuen Straße er&#x017F;ter Kla&#x017F;&#x017F;e, welche<lb/>
von der Haupt&#x017F;tadt her durch die&#x017F;e Gegend an<lb/>
die Gra&#x0364;nze gefu&#x0364;hrt werden &#x017F;ollte. Zwei ver&#x017F;chie¬<lb/>
dene Pla&#x0364;ne &#x017F;tanden &#x017F;ich in Bezug auf un&#x017F;er en¬<lb/>
geres Gebiet entgegen, welche mit gleichwiegenden<lb/>
Vortheilen und Schwierigkeiten verbunden wa¬<lb/>
ren; die eine Richtung ging u&#x0364;ber eine gedehnte<lb/>
Anho&#x0364;he, fa&#x017F;t zu&#x017F;ammenfallend mit einer a&#x0364;lteren<lb/>
Straße zweiten Ranges, mußte aber im Zickzack<lb/>
gefu&#x0364;hrt werden und &#x017F;tellte bedeutende Ko&#x017F;ten in<lb/>
Aus&#x017F;icht; die andere ging mehr gerad und eben<lb/>
u&#x0364;ber den Fluß, allein hier war das anzukaufende<lb/>
Land theurer und u&#x0364;berdies ein Bru&#x0364;ckenbau noth¬<lb/>
wendig, &#x017F;o daß die Ko&#x017F;ten al&#x017F;o &#x017F;ich gleich kamen,<lb/>
wa&#x0364;hrend die Verkehrsverha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e die Wu&#x0364;n&#x017F;chbar¬<lb/>
keit ebenfalls ziemlich gleich vertheilten. Aber an<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[378/0388] rathen und ſo eben durch Anna's feines Weſen faͤlſchlich zu deren Anwendung verlockt worden. Waͤhrend man nun von allen Seiten auf¬ brach, hatte ſich in unſerer Naͤhe, wo der Statt¬ halter, Wilhelm Tell, der Wirth und andere Maͤnner von Gewicht ſaßen, eine bedaͤchtige Un¬ terhandlung entſponnen. Es handelte ſich um die Richtung einer neuen Straße erſter Klaſſe, welche von der Hauptſtadt her durch dieſe Gegend an die Graͤnze gefuͤhrt werden ſollte. Zwei verſchie¬ dene Plaͤne ſtanden ſich in Bezug auf unſer en¬ geres Gebiet entgegen, welche mit gleichwiegenden Vortheilen und Schwierigkeiten verbunden wa¬ ren; die eine Richtung ging uͤber eine gedehnte Anhoͤhe, faſt zuſammenfallend mit einer aͤlteren Straße zweiten Ranges, mußte aber im Zickzack gefuͤhrt werden und ſtellte bedeutende Koſten in Ausſicht; die andere ging mehr gerad und eben uͤber den Fluß, allein hier war das anzukaufende Land theurer und uͤberdies ein Bruͤckenbau noth¬ wendig, ſo daß die Koſten alſo ſich gleich kamen, waͤhrend die Verkehrsverhaͤltniſſe die Wuͤnſchbar¬ keit ebenfalls ziemlich gleich vertheilten. Aber an

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/388
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/388>, abgerufen am 24.11.2024.