während er mit den Nachbaren sprach, leichthin das Glas, wie man einem Angehörigen thut, den man oft sieht; seine Tochter kehrte sich nicht einmal um und fuhr fort, ihre Verehrer anzu¬ hören. Das schmeichelte mir nun wieder, vor einer Viertelstunde hätte es meine Betrübniß ver¬ mehrt; ich schlug die Arme übereinander und hörte gelassen dem Gespräche zu. In ihrem Wetteifer waren die vier jungen Herren ein wenig kühn und prahlerisch geworden; ihre Studentenbildung und die Sitten ihres ländlichen Herkommens ge¬ riethen wunderlich durch einander, sie verloren ih¬ ren Takt gegenüber dem feinen Kinde, das sie wie eine Mücke zu fangen glaubten, sagten Dummheiten ohne alle Originalität und Anmuth, und als das Zeichen zum Aufbruch erklang, ga¬ ben sie Anna ihre Visitenkarten! Was das hei¬ ßen sollte, wußte kein Mensch; Einer hatte an¬ gefangen, die Anderen wollten nicht zurückbleiben. Sie hatten diese Karten beim Abgange von der Universität machen lassen, wie sie es bei Anderen gesehen, die Hälfte davon gegen diejenigen ihrer Freunde vertauscht, indem sie einander besuchten,
waͤhrend er mit den Nachbaren ſprach, leichthin das Glas, wie man einem Angehoͤrigen thut, den man oft ſieht; ſeine Tochter kehrte ſich nicht einmal um und fuhr fort, ihre Verehrer anzu¬ hoͤren. Das ſchmeichelte mir nun wieder, vor einer Viertelſtunde haͤtte es meine Betruͤbniß ver¬ mehrt; ich ſchlug die Arme uͤbereinander und hoͤrte gelaſſen dem Geſpraͤche zu. In ihrem Wetteifer waren die vier jungen Herren ein wenig kuͤhn und prahleriſch geworden; ihre Studentenbildung und die Sitten ihres laͤndlichen Herkommens ge¬ riethen wunderlich durch einander, ſie verloren ih¬ ren Takt gegenuͤber dem feinen Kinde, das ſie wie eine Muͤcke zu fangen glaubten, ſagten Dummheiten ohne alle Originalitaͤt und Anmuth, und als das Zeichen zum Aufbruch erklang, ga¬ ben ſie Anna ihre Viſitenkarten! Was das hei¬ ßen ſollte, wußte kein Menſch; Einer hatte an¬ gefangen, die Anderen wollten nicht zuruͤckbleiben. Sie hatten dieſe Karten beim Abgange von der Univerſitaͤt machen laſſen, wie ſie es bei Anderen geſehen, die Haͤlfte davon gegen diejenigen ihrer Freunde vertauſcht, indem ſie einander beſuchten,
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waͤhrend er mit den Nachbaren ſprach, leichthin
das Glas, wie man einem Angehoͤrigen thut,
den man oft ſieht; ſeine Tochter kehrte ſich nicht
einmal um und fuhr fort, ihre Verehrer anzu¬
hoͤren. Das ſchmeichelte mir nun wieder, vor
einer Viertelſtunde haͤtte es meine Betruͤbniß ver¬
mehrt; ich ſchlug die Arme uͤbereinander und hoͤrte
gelaſſen dem Geſpraͤche zu. In ihrem Wetteifer
waren die vier jungen Herren ein wenig kuͤhn
und prahleriſch geworden; ihre Studentenbildung
und die Sitten ihres laͤndlichen Herkommens ge¬
riethen wunderlich durch einander, ſie verloren ih¬
ren Takt gegenuͤber dem feinen Kinde, das ſie
wie eine Muͤcke zu fangen glaubten, ſagten
Dummheiten ohne alle Originalitaͤt und Anmuth,
und als das Zeichen zum Aufbruch erklang, ga¬
ben ſie Anna ihre Viſitenkarten! Was das hei¬
ßen ſollte, wußte kein Menſch; Einer hatte an¬
gefangen, die Anderen wollten nicht zuruͤckbleiben.
Sie hatten dieſe Karten beim Abgange von der
Univerſitaͤt machen laſſen, wie ſie es bei Anderen
geſehen, die Haͤlfte davon gegen diejenigen ihrer
Freunde vertauſcht, indem ſie einander beſuchten,
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/385>, abgerufen am 23.11.2024.
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